In der sechsten Folge des Podcasts »Die Schöne und das Biest. Warum schöne Organisationen die Welt verändern« sprechen Unternehmensberater und Zumuter Lothar Wenzl und die Journalistin, Autorin und bekennende Feministin Mari Lang mit Rainer Kalkbrener.
Seit 2012 ist er Vorstandsvorsitzender von ACP, einem erfolgreichen IT-Unternehmen in Österreich und Deutschland. Das Besondere dabei? ACP ist zu 100 Prozent im Besitz von aktuell 113 Mitarbeiter:innen, Geschäfsführer:innen und Vorständ:innen.
Wie ist dieser Buyout gelungen? Wie trennt man die duale Rolle von Mitarbeiter:in und Unternehmer:in? Welche Gefahren birgt es und welchen Veränderungen musste sich Rainer Kalkbrenner als Führungskraft stellen, vor allem wenn man aus einem klassisch organisierten Betrieb kommt? Und was haben eigentlich eine Party und eine Hauptversammlung miteinander zu tun? – Hören und lesen Sie selbst.
Seit dem Mitarbeiter-Buyout ging die Umsatz-Kurve geradewegs noch steiler nach oben. Irgendwie fand ich es spannend, dass die Ergebnisse, die man immer haben wollte, gekommen sind, als man den Druck herausgenommen hat. Was wir sicher sehr stark umgedreht haben, ist Sinnvermittlung statt Kontrolle.
Rainer Kalkbrener
Der gebürtige Linzer studierte Betriebswirtschaft an der Johannes-Kepler-Universität und absolvierte seinen MBA in Atlanta, USA.
Nach seinem Studium verschlug es ihn zurück nach Österreich, genauer gesagt zu Kapsch nach Wien und später zur Telekom Austria, wo er die Leitung von Projekten und Programmen in der Techniksparte übernahm.
2006 begann er seine Karriere bei ACP als Chief Financial Officer und zweiter Geschäftsführer. Seit 2012 ist er nun Vorstandsvorsitzender von ACP, einem Unternehmen, das zu 100% im Eigentum von Mitarbeiter:innen ist.
Seine Freizeit verbringt er am liebsten in der Natur, auf dem Mountainbike oder am Golfplatz.
Wir wollen nicht nur über das Besser werden reden, wir wollen tatsächlich besser werden. Senden Sie uns Feedback an dieschoeneunddasbiest@trainconsulting.eu.
Wer nicht hören will, muss lesen! Hier der Podcast zum Nachlesen:
»Die Schöne und das Biest. warum schöne Organisationen die Welt verändern.«
Ein Podcast von Mari Lang und Trainconsulting Geschäftsführer Lothar Wenzl.
Mari Lang: Erinnert dich das an irgendwas? (Geräusch)
Rainer Kalkbrener: Ja, ich glaube, das Rad braucht einen Service.
Mari Lang: Bist du ein Radfahrer? Kennst du dich gut mit Rädern aus?
Rainer Kalkbrener: Ja, mit kaputten Rädern, wenn sie laut werden und wieder zum Service müssen. Ich fahre sehr gerne Rad.
Mari Lang: Wo trifft man dich da an? Bist du eher Rennradfahrer oder im Wald?
Rainer Kalkbrener: Im Wald.
Mari Lang: Das hatten wir schon, glaube ich. Wir haben schon darüber geredet, dass dich das nervt, Lothar.
Lothar Wenzl: Die Motorradfahrer. Aber du bist mehr Mountainbike-Fahrer, nicht?
Rainer Kalkbrener: Genau! Ich finde da das Naturerlebnis besser.
Mari Lang: Gut, heute reden wir nicht über das Radfahren, sondern über ein ganz anderes Thema. Vielleicht tauchen wir ganz kurz total plakativ in deine Branche ein. (Geräusch) Ein Geräusch, das du kennst, oder?
Rainer Kalkbrener: Die Computertastatur.
Mari Lang: Bist du einer, der viel am Computer sitzt und arbeitet oder eher der viel unterwegs ist?
Rainer Kalkbrener: Ich sitze relativ viel am Computer und arbeite.
Mari Lang: Ich habe so viele Gedanken, Fragen und Themen im Kopf, über die wir sprechen könnten, aber wir sprechen jetzt vor allem über eine sehr schöne Organisation. (Musik ) Herzlich willkommen zu einer neuen Ausgabe von »Die Schöne und das Biest«, das sagen heute wieder …
Lothar Wenzl: Lothar Wenzl.
Mari Lang: … und Mari Lang.
Mari Lang: Wir stellen uns heute die Frage, ob ein Unternehmen, das zu 100 Prozent im Besitz der Mitarbeitenden ist, automatisch ein schönes Unternehmen ist, oder was es dafür braucht. Denn schaut man sich die Erfolgsgeschichte des IT-Dienstleisters ACP an, dann hat man durchaus den Eindruck, dass es ein schönes Unternehmen ist. Vor zehn Jahren gab es einen Mitarbeiter-Buyout. Seither ist sehr viel passiert. Was, das besprechen wir gleich mit dem CEO von ACP, Rainer Kalkbrener. Schön, dass du da bist!
Rainer Kalkbrener: Danke.
Mari Lang: Lothar und du, ihr kennt euch von gemeinsamen Projekten. Lothar hat gesagt, Rainer müssen wir einladen, da er so viel Spannendes zu erzählen hat. Warum sitzt Rainer heute hier, Lothar?
Lothar Wenzl: Erstens, weil er ein spannender Mensch ist und weil er einem Unternehmen vorsteht. So kann man es gar nicht mehr sagen und das werden wir gleich diskutieren, weil er als CEO in wichtiger Funktion ein Unternehmen mitgestaltet, zumindest wird es nach außen so dargestellt. Es ist ein aus meiner Sicht sehr spannendes Unternehmen, auch im Sinne dessen, worüber momentan viele reden, New Work, Augenhöhe, Mitarbeiter in die Verantwortung bringen oder ein Umfeld zu schaffen, wo das überhaupt gelingt. Weil das ein spannendes Unternehmen ist. Deswegen habe ich ihn vorgeschlagen und eingeladen und freue mich sehr, dass er da ist.
Mari Lang: Ich würde von euch beiden gerne zu Beginn wissen, was ACP, das vor 30 Jahren in Wien als kleines IT-Startup gegründet worden ist und heute einer der führenden, herstellerunabhängigen IT-Provider in Österreich und Deutschland ist, zu einem schönen Unternehmen macht. Vielleicht beginnst du Rainer.
Rainer Kalkbrener: Ich glaube, es ist ein schönes Unternehmen. Es ist deswegen schön, weil da über 2.000 Leute arbeiten und gestalten, und es Spaß macht, da zuzuschauen. Mit dem Mitarbeiter-Buyout und Mitarbeitereigentum hast du einen Aspekt erwähnt, der sicher, glaube ich, ein zentraler Baustellstein dessen ist, was uns ausmacht. Wir sind ein bisschen anders organisiert als viele andere Unternehmen. Ich bin jetzt 16 Jahre dabei und es waren zum Teil auch herausfordernde Zeiten, aber es ist ein schönes Unternehmen.
Mari Lang: Lothar, wie würdest du ACP beschreiben?
Lothar Wenzl: Was ich höre, lese und mittlerweile auch medial bekannt ist, dass es viele Aspekte hat, unter anderem, dass sehr stark auf Eigenverantwortung gesetzt wird und die Menschen dort automatisch Gestalter sind. Das passiert nicht automatisch, sondern man muss die Räume so gestalten, dass das auch geht. Ich glaube auch, dass sie Dinge wie Ownership sehr ernst nehmen sowie das Thema, auszusprechen, was wichtig und was Sache ist, also Offenheit und Klarheit. Im Sinne unserer Kriterien wären das Dialog, Kooperation, Augenhöhe, Menschen in ihrer Verantwortung ernst zunehmen. All das schreibe ich ACP zu und bin sehr gespannt, wie Rainer uns erzählt, wie das erstens gelungen ist und ob es auch so ist.
Mari Lang: Das würde mich auch sehr interessieren. Vielleicht ganz kurz noch zur Geschichte. 2006 hat die Schweizer Private-Equity-Gesellschaft Capvis die Mehrheit übernommen. Offenbar hat das nicht allen gut gefallen beziehungsweise gut getan, denn es kam sieben Jahre später zu diesem großen Mitarbeiter-Buy-out. Das heißt, ACP-Management und Mitarbeiter:Innen haben 100 Prozent an dem Unternehmen übernommen. Wie kam es einerseits dazu? Was habt ihr euch damals davon erhofft und, so wie Lothar es jetzt schon gesagt hat, wie schaut es denn tatsächlich in der Realität aus?
Rainer Kalkbrener: Ich glaube, die Geschichte der ACP, da muss man drei Akte an Schritten nach hinten gehen. Der erste war 1993 die Gründung. Da sind, glaube ich, schon viele Dinge eingebaut worden, die nachher beim Mitarbeiter-Buyout wieder herausgekommen sind. Das eine Thema ist sicher Unternehmertum. Die ACP ist gegründet worden wie viele Unternehmen und gewachsen. Dann hat man sich entschlossen, in die Bundesländer zu gehen und dort Unternehmen mit an Bord zu holen. Der normale Weg wäre gewesen, man kauft Unternehmen zu 100 Prozent. Das war aber nicht der Fall, weil das Gründerteam gesagt hat, sie wollen keine Mitarbeiter, sondern Unternehmer haben. Deshalb haben sie ein Konstrukt gemacht, eine Mehrheit von 51 Prozent zu kaufen, aber 49 Prozent bei den Key Playern zu belassen.
Das heißt, die ehemaligen Unternehmer sind Unternehmer geblieben, und das war per Design so. Die Expansion ist losgegangen und das Unternehmen auf 300 Millionen Euro Umsatz gewachsen. Dann hat diese Private-Equity-Phase begonnen. Da war die Idee, die ACP gemeinsam mit einem Private-Equity-Haus an die Börse zu bringen. Dann kam 2009 und das hat nachher nicht so ganz funktioniert. Das Zweite, was man festgestellt hat, ist, dass die Zukunftsbilder für das Unternehmen unterschiedlich waren. Von der Private-Equity-Seite her ist ein bisschen die Zukunftsvision Konzern gewesen und auf der anderen Seite dieses starke, dezentrale Unternehmertum. Dann war natürlich die Frage, wie kommt man aus dem wieder heraus? Private Equity hat aber nur einen begrenzten Investitionshorizont. Nach sieben Jahren merkt man, man würde gerne wieder aus der Private Equity herausgehen.
Das war nachher ein bisschen so, dass wir gesagt haben, wir wissen, dass der Börsengang nicht funktioniert, was sollen wir da machen? Es kam die Idee auf, dass anstatt eines sekundären Buyouts zu irgendeinem anderen Investor hin die Mitarbeiter das Unternehmen doch zurückkaufen könnten. Wir haben das ganz klassisch gemacht, wie es sonst bei einem Management-Buyout vielleicht wäre, wobei es bei uns eben der Mitarbeiter-Buyout war, der viel breiter war. Wir haben Kreditmittel aufgenommen und Geld eingesammelt, und mit dieser Kombination sind 100 Prozent des Eigentums in die Hand der Mitarbeiter gekommen.
Mari Lang: Kam da nie die Kritik, dass dadurch Unternehmensrisiken auf die Belegschaft übertragen werden?
Rainer Kalkbrener: Da muss man vielleicht ein bisschen in die erste Phase der ACP zurückblenden. Da hat es zwar nicht auf Gruppenebene viele Eigentümer gegeben, aber auf lokaler Ebene schon. Das Thema Mitarbeitereigentum war in der ersten Phase schon ein Thema und bereits bekannt. In der Private-Equity-Phase hat Private Equity die Mehrheit gehabt und 60 Mitarbeiter ein Minderheitsanteil, also waren auch schon Miteigentümer des Unternehmens. Insofern war es aus unserer Perspektive der logische Schritt, zu versuchen, ob man das nicht wieder zu 100 Prozent in Mitarbeiterbesitz bringen kann.
Lothar Wenzl: Was ich spannend finde, wir immer wieder sagen und mittlerweile auch empirisch wirklich belegen können, ist, dass keine Veränderung gelingt, die gegen die Genetik geht. Aber das war offenbar, wie du es beschreibst, schon ein Stück weit in der Genetik angelegt. Deswegen ging es dann auch.
Rainer Kalkbrener: Absolut. Genau.
Mari Lang: Lothar hat es schon angesprochen. Hierarchie, Augenhöhe und Mitsprache der Mitarbeiter:innen würde ihn interessieren. Wie schaut das im Unternehmensalltag aus?
Rainer Kalkbrener: Ich glaube, im Unternehmensalltag ist es sicher wichtig, dass man die Rollen trennt, denn von den 2.000 Mitarbeitern sind ein bisschen über 100 Aktionäre. Das ist viel. Auf lokaler Ebene gibt es auch noch Beteiligungen. Wir sind vielleicht 130, die an dem Unternehmen beteiligt sind. Trotzdem ist, glaube ich, für jeden einzelnen wichtig, diese Rolle auseinanderzuhalten. Ich habe eine Rolle in der Firma, dort habe ich eine Position und bin da eingebettet. Auf der anderen Seite bin ich an dem Unternehmen beteiligt. Der Mitarbeiter, der Unternehmer ist, ist nicht der bessere Mitarbeiter, sondern das sind zwei verschiedene Teile. Wenn man das berücksichtigt, ist das ansonsten die einzige Gefahr, die ich sehen würde bei dieser dualen Rolle.
Alle anderen Sachen finde ich genial, nämlich die Gegensätze auf einmal zu nicht mehr Gegensätzen zu machen. Beispielsweise wäre das Thema Unternehmensinteresse klassisch sonst Mitarbeiterinteresse. Wenn das Unternehmen den Mitarbeitern gehört, dann ist es das Gleiche. Da brauche ich kein Interessensausgleich per se durch irgendwelche Mechanismen, sondern jeder ist daran interessiert, bei einem erfolgreichen Unternehmen zu arbeiten und langfristig einen coolen Job zu haben. Indem man beim Unternehmen beteiligt ist, ist das aus meiner Sicht allein durch die Rolle und durch die Beteiligung sichergestellt.
Lothar Wenzl: Wie funktioniert dieses Spiel zwischen zwei doch unterschiedlichen Klassen von Mitarbeitern? Du sagst, Rollentrennung ist wichtig. Das verstehe ich. Aber wie geht das? Da sind über 130 Eigentümer und der Rest, ich sage bewusst, der Rest, sind Nichteigentümer. Auch da könnte es zu diesen üblichen, wie du sie angesprochen hast, Verwerfungen zwischen Eigentümerinteressen, Mitarbeiter:innen-Interessen kommen. Wie sehr fühlen die sich zum Beispiel von den 130 vertreten?
Rainer Kalkbrener: Ich glaube schon, weil die Vertretung im Prinzip nicht in die Richtung von kurzfristiger Optimierung, sondern langfristigem Erfolg geht. Das ist natürlich im Interesse der 100 Aktionäre, aber auch der Mitarbeiter. Diese langfristige Ausrichtung, glaube ich, ist dadurch gegeben. Das ist sicher der größte Vorteil. Ansonsten muss man sagen, ist sicher die AG, die wir als Organisationsform haben, eine gute für Mitarbeiterbesitz. Vorher haben wir eine GmbH gehabt. In der GmbH sind natürlich die Rechte viel diffuser als in der AG.
Das heißt, da ist zum Beispiel eine Gefahr, dass man sagt, wenn einer gegen den Strom schwimmt oder Amok läuft, was passiert danach mit dem Rest? Da ist es in der GmbH durchaus so, dass das nachher oft ein bisschen problematisch ist. In der AG passt das. Aus meiner Sicht ist die AG darauf zugeschnitten. So wie später eine AG in Richtung Börse gehen kann, ist hier die Rollentrennung wirklich noch einfacher, weil die Rechte in der AG sehr klar sind. Bei uns kann ich noch sagen, wie es funktioniert. In Wirklichkeit ist die Hauptversammlung mehr Party als klassische Hauptversammlung. Die Leute kommen zusammen, weil sie froh sind, sich wiederzusehen. Das ist total angenehm und schön.
Lothar Wenzl: Spannend, Hauptversammlungen als Partys sind was ganz Neues und finde ich ein sehr ansprechendes Konzept.
Mari Lang: Es leuchtet mir total ein, wenn ich zum Beispiel beteiligt bin an einem Unternehmen, dass ich natürlich möchte, dass es erfolgreich ist, weil es total mit meiner Person verknüpft ist. Wie findet ihr denn Mitarbeiter:innen, die nicht Eigentümer:innen sind? Wonach schaut ihr da? Ich weiß, dass ACP ganz viele Arbeitgeberinitiativen hat. Ihr habt schon Preise dafür bekommen und werdet immer wieder gelobt als das Unternehmen, in dem zu arbeiten es am schönsten ist. Wonach schaut ihr denn bei Mitarbeiter:innen, beziehungsweise unterscheidet sich das irgendwie von anderen Unternehmen?
Rainer Kalkbrener: Ja, schon. Ich meine, jetzt haben wir über Mitarbeiterbesitz gesprochen. Ansonsten sagen wir auch, dass wir kein Konzern, sondern eine Plattform sind. Sicher das zweite Charakteristikum, wo wir uns von anderen Unternehmen unterscheiden, ist, dass wir sehr dezentral sind. Wir haben 2.200 Mitarbeiter in 35 operativen Gesellschaften. Das heißt, die durchschnittliche Unternehmensgröße sind 70 Personen. Das ist noch recht familiär. Wir delegieren so viel Verantwortung wie möglich hinaus. Nur das, was draußen absolut keinen Sinn macht, wird zentral in der Verantwortung wahrgenommen.
Das stimmt auf der Ebene der Gesellschaften, aber auch in der Gesellschaft zum Mitarbeiter hin. Das heißt, der einzelne Mitarbeiter hat bei uns sicher deutlich mehr Verantwortung und Gestaltungsfreiraum als in anderen Unternehmen. Es hat seinen Grund, warum wir das machen, denn es macht die Organisation schnell und man verwendet das Potenzial der Leute besser, als wenn man zentral steuert und möglichst wenig Verantwortung gibt. Aber es hat natürlich auch Auswirkungen, welche Leute wir suchen. Das muss man wollen. Typischerweise zum Beispiel Leute, die sehr viel Struktur und geregelt haben wollen, fühlen sich bei uns nicht wohl, weil es bei uns eher chaotisch wirkt. Insofern ist es sicherlich ein besonderer Typus von Mensch, der sich bei uns wohlfühlt.
Mari Lang: Ihr seid also eher Fachhochschule als Uni?
Rainer Kalkbrener: Der Freiheitsgrad ist hoch, ja.
Lothar Wenzl: Worauf schaut ihr beim Einstellungsgespräch? Oder gibt es überhaupt so etwas wie ein Einstellungsgespräch? Wie macht ihr das?
Rainer Kalkbrener: Ja, Einstellungsgespräche, also mittlerweile ist es ein Bewerbungsgespräch, wo wir uns bewerben.
Lothar Wenzl: So wie bei fast allen.
Rainer Kalkbrener: Natürlich ist überall Fachkräftemangel und in der IT schon ewig. Worauf schauen wir? Sicher am ehesten auf die Persönlichkeit. Wir versuchen, zu transportieren, wie die ACP funktioniert, die Vorteile, die Nachteile oder Herausforderungen, die man da hat, damit es kein Überraschungspaket ist. Danach merkt man in dem Gespräch schon recht schnell, ist das etwas, wodurch das Leuchten in die Augen kommt oder eher die Fragezeichen auftauchen?
Auf der anderen Seite muss man natürlich zum Beispiel bei IT-Fachkräften sagen, wenn sich derjenige entscheidet, zu uns zu kommen, dann hat er meistens auch ein Angebot, wenn denn die Rahmenbedingungen halbwegs okay sind, einfach dadurch, dass wir 100 offene Stellen im Moment haben, die wir nicht besetzen können. Die Tür ist da immer weit offen.
Mari Lang: Ich würde ganz gerne zum Arbeitsalltag zurückkehren und zu dem Mitarbeiter-Buyout. Vielleicht kannst du noch einmal kurz herausstreichen, ob sich dadurch konkret für die Mitarbeitenden etwas in ihrem Arbeitsalltag verändert hat? Vielleicht dazu als Stichwort die Initiativen, die ihr habt? Gibt es da Dinge, wo du sagst, das ist bei uns wirklich ganz anders als bei anderen Unternehmen? Jetzt nicht nur, was die Struktur betrifft?
Rainer Kalkbrener: Was sich sicher geändert hat … Ob alle 2.000 Mitarbeiter diese Änderung schlagartig gespürt haben, weiß ich nicht. Aber je näher die Leute bei der Holding und beim ehemaligen Eigentümer natürlich waren, desto mehr … Was wir sicher sehr stark umgedreht haben, ist, Sinnvermittlung statt Kontrolle. Wir waren natürlich aufgrund der Eigentümerschaft relativ stark gemonitort. Es gab sehr viele Ziele und insbesondere auch beim Thema Abweichungen dann mit kurzfristigen Aktionsplänen zu reagieren. Diesen Druck haben wir schlagartig herausgenommen. Das war wahrscheinlich das, was die Menschen, die in diesen Managementpositionen waren, sicher als erstes gemerkt haben, und mittelbar noch die Leute, die ein bisschen weiter entfernt waren.
Im Nachhinein ist das interessant, wenn wir uns unsere dreißigjährige Erfolgskurve anschauen. In der Pionierphase ist es wirklich von 0 auf 300 Millionen Euro Umsatz steil nach oben gegangen und dann gab es 6, 7 Jahre Seitwärtsbewegung. Man muss sagen, dass das nicht nur, aber auch die Eigentümerschaft war. Seit dem Mitarbeiter-Buyout ging die Kurve geradewegs noch steiler nach oben auf 900 Millionen Euro Umsatz. Irgendwie fand ich es spannend, dass die Ergebnisse, die man immer haben wollte, gekommen sind, als man den Druck herausgenommen hat. Die Marktsituation war die letzten Jahre auch nicht schlecht. Man braucht natürlich auch noch ein bisschen Glück.
Lothar Wenzl: Eine Frage, die bei mir auftaucht, ist das Thema Veränderung. Was war denn für dich so als Manager, als Führungskraft hin zu dem, was ihr jetzt habt, eine oder die größte Veränderung auf dem Weg? Was musstest du umlernen, neu denken und neu lernen?
Rainer Kalkbrener: Ich war vorher mit der Telekom Austria sicherlich in einem klassisch organisierten Betrieb. In der ACP kennenzulernen, was es bedeutet, aus einer Holding heraus damals erst Geschäftsführer und jetzt Vorstand zu sein, war sicher ein Umlernprozess, weil ich da mit meinem klassischen Wissen und meinen Erfahrungen sehr rasch am Ende war. Es hat einfach nicht gepasst für die Firma. Da habe ich zuerst schauen müssen, wie die Firma tickt und sie verstehen müssen. Was heißt das zum Thema Führung und was kann ich beitragen? Das war sicher für mich der größte Veränderungsprozess.
Lothar Wenzl: Worin lag da die Veränderung? Was musstest du anders denken und tun als in der früheren?
Rainer Kalkbrener: Ich war sicher klassisch gepolt. Ziele müssen ambitioniert sein, damit sie anspornend sind. Wenn man seine Ziele nicht erreicht, dann müssen wir etwas tun. Aktionen müssen folgen. Ich würde sagen, ich war schon sehr klassisch gepolt und davon loszulassen, was auch heißt, dass man ein bisschen die Kontrolle darüber verliert, war sicher die größte Veränderung.
Mari Lang: Wir gehen hier im Podcast der Frage nach, was ein Unternehmen zu einem schönen Unternehmen macht und wie wir es schaffen können, dass im Grunde alle Unternehmen schöne Unternehmen werden. Ein einleuchtendes Kriterium ist meistens der Umsatz. Du hast schon angesprochen, dass der sich, glaube ich, verdoppelt hat nach dem Mitarbeiter-Buy-out. Ihr seid jetzt fast an der Milliardengrenze, da schrammt ihr lang. Es leuchtet irgendwie ein, dass man sagt, da läuft alles gut, es kann nur super sein, dort zu arbeiten. Aber Lothar, es gibt ganz, ganz viele andere Kriterien.
Davon ist eines natürlich, wie wir zu einer besseren Welt in Zeiten von Klimakatastrophe und von Kriegen beitragen. Bei Digitalisierung hat man mittlerweile ganz schnell das Wort Nachhaltigkeit in einem Satz gesagt. Kannst du vielleicht dazu ein bisschen was sagen? Inwiefern habt ihr denn, außer der Mitarbeiter:innen-Zufriedenheit, dem Umsatz und den Themen, die wir jetzt schon besprochen haben, noch andere Themen, von denen ihr sagt, dass sie ACP zu einem schönen Unternehmen machen?
Rainer Kalkbrener: Ja. Bei dem Thema Nachhaltigkeit ist die IT beides, einerseits Teil der Lösung, aber natürlich auch Teil des Problems. Wenn man sich den Stromverbrauch von IT anschaut, dann ist der sehr hoch und wird durch KI und Co immer höher. Auf der anderen Seite ist man auch bei der Lösung dabei. Digitalisierung hast du angesprochen. Wir haben relativ viele Digitalisierungsprojekte in unserem Bereich Data Science, die stark in Richtung Ausschuss und Verschwendung vermindern gehen. Bei der AMAG ist das ein Projekt. Man sagt hierbei, dass ich das aufgrund der Daten schaffe. Wenn ich die analysiere, wie ich meine Produktion so optimieren kann, dass es keinen Ausschuss gibt. Früher hat man primär gesagt, das ist super, weil ich da Geld spare. Heute sagt man, das ist nicht nur super, weil ich da Geld spare, sondern auch der Ausschuss geringer ist und ich die Ressourcen sinnvoller verwende.
Der zweite Teil, an dem wir relativ stark dran sind, ist das Thema Kreislaufwirtschaft. Was passiert mit dem Equipment, nachdem wir es im Unternehmen nicht mehr verwenden? Wie kann man das einem zweiten Leben zuführen? Nach innen gibt es bei uns viele Initiativen, wir sind aber noch sehr schlecht im Thema, das zu dokumentieren. Irgendwann werden wir einen Nachhaltigkeitsbericht brauchen, den haben wir im Moment nicht. Ich meine, da sind auch Themen drinnen, die ich kritisch sehe. Ich meine, Nachhaltigkeit ist großartig. Den bürokratischen Aufwand, der zum Teil natürlich auch zu Greenwashing führt und der mehr Darstellung ist, als dass vielleicht etwas übrig bleibt, sehe ich durchaus kritisch.
Es wird natürlich für Unternehmen, finde ich, immer schwieriger. Da sind Nachhaltigkeit und die Dokumentationsbedürfnisse nur ein Teil, Business zu machen, weil das Drumherum, das du in Form von Dokumentation und Nachweisen machen musst, schon wahnsinnig aufwendig ist. Da würde ich mir eher wünschen, diese Themen irgendwie marktwirtschaftlich unterzubringen und Anreize zu setzen, dass es marktwirtschaftlich passiert und nicht immer durch Nachweise und durch 90-seitige Dokumente.
Lothar Wenzl: Ja, spannend finde ich, dass, als du die Kriterien angesprochen hast, da mehr gewesen sind als die, die wir bis dato besprochen haben. Aber gleichzeitig habe ich vieles herausgehört. Wenn ich gefragt habe: »Wie macht ihr den Bewerbungsprozess?«, war eine der Antworten: »Wir schauen, ob es ein Leuchten in den Augen bei den Leuten gibt, die sich vorstellen, oder bei denjenigen, bei denen wir uns bewerben.« Das ist ein Kriterium, das für mich ganz stark auf Resonanzfähigkeit schließen lässt. Gibt es eine Verbindung zwischen den Menschen? Gibt es eine Verbindung zwischen denen, die hier hereinkommen wollen, und denen, die hier schon arbeiten?
Wenn du sagst: »Wir haben noch keinen Nachhaltigkeitsbericht, tun aber viel«, höre ich heraus, dass ein ganz großes Thema bei euch war, die Bürokratie herauszunehmen. All das zu verringern, was die Menschen von der Arbeit abhält, ist übrigens ein ganz großer Treiber in jeder Forschung zum Thema Sinn, Mitarbeiterzufriedenheit, Engagement. Die Bürokratie ist der Sand im Getriebe. Ihr versucht also genauso wie viele dieser Organisationen, die bereits als schöne oder Vorreiterorganisationen gelten, Bürokratie herauszunehmen. Dort, wo Bürokratie fälschlicherweise versucht, über Kontrolle Einfluss zu gewinnen und zu steuern, da ist das Gegenteil wahr.
Es passiert genau das Gegenteil. So hast du es auch beschrieben: »In dem Moment, wo wir die Kontrolle verringert haben, sind interessanterweise die Ergebnisse, die Erfolgsgeschichten bei uns in die Höhe gegangen.« Das können wir bei allen diesen Organisationen sehen. Aber wie beobachtet, messt und monitort ihr denn eure Wirkung?
Rainer Kalkbrener: In Bezug auf Nachhaltigkeit oder insgesamt?
Lothar Wenzl: Insgesamt.
Rainer Kalkbrener: Man muss sagen, bei uns, die IT, ist natürlich eine sehr dynamische Branche und da ändert sich sehr viel. Wenn man stehen bleibt, dann ist das erfolgreichste Unternehmen in wenigen Jahren ein Sanierungsfall. Das heißt, bei uns rinnt natürlich immer wahnsinnig viel Energie in Richtung Kunde, Mitarbeiter und Skills sowie Transformation unseres Business. Wie können wir da am Ball bleiben?
Wir bewegen uns von einer ehemaligen Handelswelt in eine Servicewelt und das bedeutet einen wahnsinnigen Umbau und ein Umdenken, weil das Geschäft viel komplexer wird, damit es für den Kunden einfacher wird. Da müssen wir sagen, in diese Themen, Mitarbeiter, wie bleibe ich technologisch am Ball, wie bleibe ich nah beim Kunden, rennen wahrscheinlich 90 Prozent unserer Energie herein. Ich meine, beim Kunden sehen wir es zwar über Umfragen und so weiter, aber der finale Test ist, ob er bei uns einen Umsatz tätigt oder nicht. Der Marktanteil ist sicherlich für uns das entscheidende Kriterium.
Bei Mitarbeitern gibt es auf der einen Seite die Mitarbeiterzufriedenheit als Messung und auf der anderen Seite so Themen wie Fluktuation, die wir uns anschauen. Auf der anderen Seite glaube ich aber, dass man das auch spürt. Wenn man in ein Unternehmen hereingeht und es besser oder schlechter läuft, sieht man das irgendwann in der Mitarbeiterbefragung und spürt das auch. Aber das ist jetzt natürlich …
Lothar Wenzl: Wie spürt ihr dahin? Wer spürt dorthin und wie kommen diese Informationen wieder zurück?
Rainer Kalkbrener: Das Eine ist natürlich das Kleinteilige. Unsere größte ACP hat 400 Mitarbeiter, das finde ich schon relativ groß. Da beginnt es schon, dass es schwieriger zu bewerten ist, dass man das spürt. Um die 100 bis 150, das ist eine Größe, da ist das alles noch sehr direkt übersetzt. Jeder kennt jeden. Deshalb ist da das soziale Gefüge kompakter, familiärer und da spürt man das sehr, sehr, sehr gut.
Für mich zum Beispiel, wenn ich hereingehe in eine ACP, da fühlt sich jede anders an, obwohl wir eine Firma sind. Ich glaube, da machen es die Kompaktheit und sicher auch die Präsenz. Ich glaube, es ist schwieriger zu spüren, wenn man eine Firma hat, die nur im Homeoffice ist. Dort sind, glaube ich, solche Themen ganz schwierig, und darum ist auch wichtig, dass man da die richtige Balance hat. Die Befragung ist für mich noch eher die Bestätigung von dem, was man in vielen Aspekten vorher schon gemerkt hat.
Lothar Wenzl: Spannend, ja. Ich gehe noch einmal zu einem Thema, das ich herausgehört und herausgelesen habe, und das eint uns wieder, weil wir in der Arbeit als Berater vor allem sehr stark über große Bilder, über Zukunftsbilder, aber auch über Prinzipien gehen. Das leitet euch auch sehr stark. Was sind denn eure drei, vier Prinzipien, von denen du sagst, die sind tatsächlich in der Realität unserer Arbeit im Alltag spürbar?
Rainer Kalkbrener: Das Eine, was sicherlich am stärksten verankert ist, ist das Unternehmertum, von der Aufbauorganisation über das Thema Beteiligung hin zu, dass jeder ein Unternehmer ist. Das Zweite, was sicher auch stark ausgeprägt ist, ist eben Sinnvermittlung statt Kontrolle. Das Dritte, wenn man drei nehmen muss, ist, den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen.
Mari Lang: Prinzipien sind auch ein gutes Stichwort, das zu unserem altbekannten Schluss führt. Ich bitte unsere Gäst:innen immer am Schluss, einen oder mehrere Werte in einen imaginären Setzkasten zu stellen. Ein paar Werte haben wir da schon.
Rainer Kalkbrener: Sicher so den Freiraum zum Gestalten. Wenn ich mich persönlich anschaue, was mir am meisten Spaß macht und einen hohen Freiheitsgrad hat, dann spricht mich das am meisten an.
Mari Lang: Rainer, du lässt uns nicht nur einen Wert hier, sondern auch viele Schlagworte, von denen ich ein paar hier in den Raum stellen möchte. Hauptversammlung als Party ist möglich, Plattform statt Konzern, Eigenverantwortung, Rufzeichen, Rufzeichen, Rufzeichen, Leuchten in den Augen, Learning on the Job, Sinnvermittlung statt Kontrolle, gestalten statt reagieren und weniger Druck. Ich glaube, weniger Druck können wir alle brauchen.
Lothar Wenzl: Ja, ganz viele Ingredienzen einer schönen Organisation. Für eine bessere Welt geht noch mehr, hast du selber gesagt, aber das ist auch kein Wunder, da geht überall mehr. Freue mich sehr, dass du da warst.
Rainer Kalkbrener: Herzlichen Dank für die Einladung.
Mari Lang: Danke für das Gespräch. Wenn Ihnen der Podcast gefällt, dann freuen wir uns, wenn Sie auch bei der nächsten Folge wieder dabei sind, um diese nicht zu verpassen. Abonnieren Sie die Schöne und das Biest am besten gleich und geben eine Fünf-Sterne-Bewertung ab. Wir und unsere Gäst:innen freuen uns darüber. Bis bald. (Musik)