Ein interview mit dem Philosophen Fabian Scheidler

Der Stoff aus dem schöne Organisationen sind

Pia Hofmann und Fabian Scheidler beim Spaziergang in Schrems

Pia Hofmann: Fabian, dein Buch heißt »Der Stoff, aus dem wir sind«. Aus welchem Stoff sind denn in deinen Augen schöne Organisationen?

Fabian Scheidler: Das ist ein Stoff, der tatsächlich dem Leben, der Lebendigkeit und dem Wohlergehen dient. Das betrifft die Leute, die in der Organisation arbeiten, und all die Leute und nichtmenschlichen Lebewesen, die von den Entscheidungen der Organisation betroffen sind.

Und natürlich sollten die Leute, die in dieser Organisation tätig sind, das selbst auch als schön und bereichernd empfinden. Nicht als Qual, arbeiten zu müssen um ihr Geld zu verdienen.

Man kanns so zusammenfassen: Organisationen, die zum Gedeihen des Ganzen beitragen, empfinde ich als schön.

Pia Hofmann: Hast du eine Idee, wie Organisationen es schaffen können, dahin zu kommen. Also schön zu werden?

Fabian Scheidler: Organisationen haben ja ganz verschiedene Teile. Ein Teil sind beispielsweise Rechtsformen. Wenn wir erstmal bei Unternehmen bleiben, dann ist die Frage, welche Zwecke hat die Institution? Es gibt zum Beispiel Institutionen, die ich nicht als schön betrachte, wie zum Beispiel unsere großen Kapitalgesellschaften, die es seit vierhundert Jahren gibt. Deren einziger Zweck es ist, aus Geld mehr Geld zu machen. Koste es, was es wolle. Das würde ich nicht als schöne Organisationsform bezeichnen.

Es gibt andere, die in ihren Satzungen, in ihren Rechtsformen tatsächlich das Gedeihen der Mitarbeiter und der weiteren Umgebung niedergeschrieben haben.

Die Rechtsform und die Strukturen sind ein Teil; bei dem anderen Teil geht es darum, wie die Menschen, die in der Organisation arbeiten, miteinander umgehen. Das sind dann kulturelle Fragen. Fragen der Beziehungen, Fragen der Achtsamkeit. Wieviel Hierarchie wollen wir? Können wir in dieser Organisation tätig sein in einer Weise, dass wir das Gefühl haben, wir selbst sein zu können, uns entfalten zu können als Persönlichkeit. Oder müssen wir uns irgendwie verbiegen?

Also eine schöne Organisation ist, glaube ich, eine, die es Menschen auch erlaubt, sich zu entfalten.

Pia Hofmann: Wie schaut eine bessere Welt aus für dich?

Fabian Scheidler: Ja, eine bessere Welt schaut ein bisschen so aus wie dieses Wochenende. (lacht)

Pia Hofmann: Und für all jene, die gerade nicht hier mit uns am Symposium sind: Was macht es aus, dieses Wochenende, dass es »wie die bessere Welt« ist?

Fabian Scheidler: In erster Linie, dass man einen großen Teil der Zeit in der Natur verbringt. Mit der Natur, nicht nur in der Natur. Man verbringt viel Zeit mit Musik, mit kulturellen Tätigkeiten. Einen Teil der Zeit im Austausch darüber, wie man sich eine bessere Welt vorstellen kann oder Dinge verändern kann.

Ich glaube, eine bessere Welt ist eine, in der wir bestimmte Arten von Luxus nicht mehr haben, nämlich zerstörerischen Luxus. Die Ansammlung von Gütern, die immer weiter wachsen muss, immer mehr Smartphones, die wir immer schneller wegwerfen, immer größere Autos und so weiter.

Darauf könnte man ja auch leicht verzichten, wenn wir andere Sachen gewinnen, zum Beispiel Zeitwohlstand, Beziehungswohlstand, kulturellen Wohlstand. Indem wir mehr Zeit mit Musik und mit unseren Kindern zum Beispiel verbringen.

All das könnte man ja tun, wenn man aufhört, so viel zu produzieren und stattdessen sowohl das Produzierte als auch die Arbeitszeit besser verteilt. Wenn man weniger produziert, muss man weniger arbeiten, dann hat man mehr Zeit für andere Sachen.

Pia Hofmann: Es klingt so simpel, wenn du das sagst.

Fabian Scheidler: Ja, ist es auch. (lacht)

Pia Hofmann: Und eine letzte Frage noch: Welche Frage sollten sich Organisationen stellen, um sich selbst in diese Richtung anzustoßen?

Fabian Scheidler: Vielleicht… wie wollen wir selbst leben, arbeiten und tätig sein als Menschen in dieser Organisation? Und was wollen wir der weiteren Umgebung, in der wir tätig sind, geben?

Pia Hofmann: Also quasi, welchen Beitrag zum Zustand der Welt wollen wir leisten?

Fabian Scheidler: Ja genau, einen Beitrag zum Zustand unserer Biosphäre, zum Zustand der menschlichen und gesellschaftlichen Lebensqualität, und was brauchen wir dafür an Struktur, an Kultur?

Pia Hofmann: Und ich würde da gern noch hinzufügen: Wieviel Schaden sind wir bereit, dafür zu verursachen? Der schwingt ja immer mit.

Fabian Scheidler: Genau, ich kann natürlich auch sagen, wir wollen maximal viel rausholen für uns und der Rest ist uns egal. Das können ja auch Ziele sein. Da muss man sich nur darüber klar werden, und dann ehrlich zu sich selbst sein. Und dazu stehen und gucken, wie andere darauf reagieren.

Pia Hofmann: Fällt dir eine Organisation ein, die du als schön bezeichnen würdest?

Fabian Scheidler: Ja, da ist die Frage, was versteht man als Organisation. In meinem Buch erzähle ich das Beispiel der balinesischen Subaks. Das ist ein gemeinschaftlich organisiertes System von Bewässerungen von Reisfeldern, zugleich ein System von Tempeln. Ein System von sozial gerechter Verteilung, ein System von ökologischen Gleichgewichten.

Plus, wir haben hier ein Gesamtsystem, das unglaublich schöne Künste hervorbringt. Bali hat eine der bedeutendsten Theaterkünste der Welt hervorgebracht.

Das sieht man wunderbar an den Subaks – hier hat all das, was getan wird, eine künstlerische und kulturelle Seite. Wasserversorgung, könnte man meinen, ist banal, es muss einfach irgendwo eine Leitung verlegt werden, dann dreht man wo einen Hahn auf – aber nein! An allen Ecken, wo Kanäle aufeinanderstoßen, finden dort regelmäßig Feste, Musik und Theater statt.

Das bezeichne ich als schön! Dass die Dinge, die man zum Leben braucht mit kulturellem Reichtum verbunden sind.

Pia Hofmann: Ein herzliches Danke, Fabian!

Das Interview in seiner Rohfassung, können Sie hier nachhören:

Pia Hofmann

Pia Hofmann

Systemische Beraterin und Maschinenbauingenieurin. Beschäftigt sich viel und gerne mit den Themen Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft. Die Herausforderungen der Kreislaufschließung kennt sie sowohl aus technischer wie auch beraterischer Perspektive.

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