Natalie Knapp
Kompass neues Denken
Wie wir uns in einer unübersichtlichen Welt orientieren können
Rowohlt Verlag 2013
Als Berater:innen werden wir oft nach Buchempfehlungen gefragt, was könnte man als Einstieg in das systemische Denken lesen. Natalie Knapps Buchs eignet sich dazu ausgezeichnet! Es bringt gut auf den Punkt, warum uns unsere eingeübten Denkmuster nicht mehr weiterbringen und wie jede/r von uns in scheinbar alternativlosen Situationen den Spielraum entdecken kann. Der Autorin gelingt es, ein komplexes Thema leichtverständlich in der Alltagsprache zu behandeln, und sie ermutigt die Leser:innen, das eigene Denken aufzuräumen und das Beschriebene gleich selbst auszuprobieren.
Natalie Knapp ist als Philosophin Expertin für das Denken. Sie lädt dazu ein, unsere Alltagsthemen mit etwas Abstand in einer großen gemeinsamen Landkarte einzuordnen und auf die fragilen Wechselbeziehungen zwischen ihnen zu schauen. Durch die Globalisierung, das flächendeckende Internet, das Bevölkerungswachstum und die steigenden Freiheitsgrade der Einzelnen haben wir andere Herausforderungen als die Menschen vor nur wenigen Jahrzehnten. Diese Entwicklungen stehen miteinander auch in Wechselwirkung und das erhöht die Wahrscheinlichkeit für Überraschungen.
Der Kern des Buches macht den Unterschied zwischen kompliziert und komplex verständlich. Diese Begriffe beschreiben den Hauptunterschied zwischen dem Alltag im 20. und dem Alltag im 21. Jahrhundert. In einer komplexen, unübersichtlichen Welt entstehen durch die vielen unsichtbaren Rückkoppelungen neue Dynamiken, zu deren Umgang wir ein neues Denken brauchen.
Das europäische Denken ist seit der Aufklärung stark von der Vernunft geprägt und von der Annahme, dass die Menschen durch Vernunft ihre Probleme lösen können. Dieses Denken ist mit einer linearen Logik und zielgerichteten Handlungen verknüpft. In komplizierten Zusammenhängen ist die lineare Logik hilfreich, in komplexen Situationen verursacht sie aber neue Probleme. Komplexe Systeme produzieren von Natur aus Überraschungen. Da reichen Wissen und Vernunft nicht aus, um diese unter Kontrolle zu halten.
Wir stehen bei vielen Problemen an, weil unser Denken nicht zu der Logik der Entwicklungen, deren Teil wir sind, passt. In komplexen Situationen haben wir es mit dynamischen Beziehungen zu tun, die sich unvorhersehbar entwickeln. In einer vernetzten Welt sind unerwartete Ereignisse normal. Hier ist die nicht-lineare Logik hilfreich. Wir können kreisförmig denken lernen, wenn wir die kreiskausalen Prozesse der Natur beobachten. Während wir versuchen unsere Umwelt zu verändern, verändern wir gleichzeitig auch uns selbst und es ist nützlich von Anfang an beide Veränderungsketten zu beachten.
Natalie Knapp hilft uns, in der Unübersichtlichkeit unseren Orientierungssinn zu stärken. Nach ihrer These müssen wir andere Fähigkeiten als bisher entwickeln, um sicher in die Zukunft navigieren zu können. Die Quelle der Lösungen liegt in der Zusammenarbeit, im Austausch und Diskurs und darin, wie wir diese formen. Der Schlüssel der Veränderung ist die Kommunikation als Form der Begegnung und nicht als zielgerichteter Informationsaustausch. Die Gestaltung von gelingenden Beziehungen ist keine Technik, viel mehr hat sie mit Wahrnehmung, Haltung, Wertschätzung zu tun. Der Leitsatz der Autorin lautet: Handle immer so, dass Beziehungen gelingen können! Das stellt die Kompassnadel auf Norden.
