Pia: Barbara und ich schwanken ständig zwischen Zuversicht und Weltschmerz, wenn wir auf die täglichen Nachrichten schauen. Wie geht es denn dir, Niko, wenn du auf die Welt schaust? Stichwort Klimawandel, Politik, … wie schaut es um deine Zuversicht aus, dass wir als Menschheit das alles noch hinbekommen?
Niko: Da bin ich nicht zuversichtlich, muss ich ehrlich sagen. Es hat immer wieder Hochkulturen gegeben. Es hat die Babylonier gegeben, es hat die Griechen gegeben, keine Ahnung, was es alles gegeben hat. Und ich sage gar nicht, dass wir alle ausgerottet werden, und eine Zombieapokalypse oder so stattfindet, aber, ich glaube schon, dass diese hedonistische Lebensweise uns das Genick brechen wird, früher oder später. Und niemand ist bereit, davon abzulassen. Ich meine, so ein bisschen kann man es vielleicht vergleichen mit der Bibel und diesem Apfel. Wenn du diesen blöden Apfel gegessen hast und alles siehst und weißt, wieso sollst du jetzt wieder sagen: Okay, ich vergesse alles wieder.
Mein Zugang ist eher so: Wie können wir diese Zeit, die uns gegeben ist, so gut verwenden, dass wir auf einer anderen Ebene darüber hinauswachsen? Ich meine auf spiritueller Ebene zum Beispiel. Dass man sagt: Okay, diese Aufgaben lassen uns erkennen, worum es im Endeffekt geht.
Das Unternehmen
Das 2017 durch den heutigen Geschäftsführer Niko Bogianzidis und seine CoFounder gegündete Unternehmen Öklo vermietet und verkauft Trockentoiletten in Österreich und Deutschland und ist in diesem Segment Marktführer in Europa. Über 2.000 Trockentoiletten hat Öklo zurzeit österreichweit aufgestellt und ist somit unter den Top 3 für mobile Toiletten und erfolgreicher Konkurrent zu Chemietoiletten-Anbietern.
Seit der Gründung ist Öklo jedes Jahr um mehr als 100 Prozent gewachsen, und beschäftigt heute österreichweit über 50 Mitarbeiter:innen. Zu seinen mittlerweile 5000 Geschäftskunden zählen Städte und Gemeinden, die Baubranche, Event- und Festival- Veranstalter. Darunter: die Stadt Wien, Strabag, Asfinag und ÖBB.
Nachhaltigkeitscheck
- Produkt besteht aus großteils heimischen Holzsorten
- Stromversorgung mittels Ökostrom
- Fuhrpark umfasst 4 E-Kleintransporter
- Die Toiletten funktionieren ohne Strom- und Wasseranschluss und reduzieren die Belastung von Trinkwasser mit Hormonen, Fäkalienkeimen, Medikamenten, Plastik, Drogen oder Hormonen
- Jeder Klogang spart bis zu fünf Liter Trinkwasser. In Summe macht das jährlich fast 20 Millionen Liter Trinkwasser
Quelle: oeklo.at
Barbara: Und wenn du diesen Wandel hernimmst, ob wir ihn schaffen oder nicht, was trägst du als Mensch und mit deinem Unternehmen dazu bei, dass er gelingen könnte?
Niko: Bewusstsein schaffen! Einfach Bewusstsein schaffen und sagen: Es ist nicht alles unendlich da. Wir können nicht einfach endlos die Klospülung betätigen und weg ist es. So nach dem Motto: was ich nicht sehe, ist kein Problem mehr. Und da gibt es ganz viele andere Menschen und Unternehmen, die was in diese Richtung machen, egal, ob das jetzt auf Beziehungsebene oder eben Umweltthemen oder so etwas ist. Also ich glaube, wir sind in einer Zeit, wo Bewusstseinsbildung sehr, sehr wichtig ist.
Pia: Und wie genau sieht dieses »Bewusstsein schaffen« aus, das du mit öKlo machst?
Niko: Wir schaffen Bewusstsein für das Thema Wasser. Wir wollen Bewusstsein schaffen für mögliche Abfallverwertungen von Fäkalien, einem riesigen Tabuthema. Wir wollen da sagen: Okay, das gehört einfach zu uns, es ist ein Teil von uns, braucht man nicht einfach wegspülen und ignorieren. Man kann damit zum Beispiel Energie erzeugen, man kann Biogas, Kompost oder Dünger machen… weil alles andere ist Scheiße, im wahrsten Sinne des Wortes.
Barbara: Dann wäre die nächste Frage, die uns brennend interessieren würde: Was war ein Game-Changer-Moment für dich gewesen? Sei es ein besonders relevanter Rückschlag oder irgendein Wendepunkt oder ein besonderer Erfolg, irgendetwas, was deine Welt aus den Angeln gerissen hat?
Niko: Da gibt es täglich welche. Aber für mich war der Game-Changer-Moment der Moment, als ich durch Wien gegangen bin und ein öKlo in einem Park habe stehen sehen. Und das war so für mich der Moment, als ich mir gedacht habe: Ich muss nicht jedes Klo allein aufstellen, aufbauen, verkaufen, warten, servicieren, sondern es gibt auch andere, die sich darum kümmern. … Ich bin wirklich Aktivist und nicht einfach nur jemand, der sagt: Ich träume von einer besseren Welt.
Ich bin wirklich Aktivist und nicht einfach nur jemand, der sagt: Ich träume von einer besseren Welt.
Niko Bogianzidis
Pia: Das ist eine schöne Überleitung zu dieser Frage: Was bedeutet für dich persönlich Erfolg? Und wann bist du mit deinem Unternehmen, wann ist öKlo erfolgreich?
Niko: Wenn Freude größer gleich Leid ist. Es ist egal, ob das jetzt in meiner Rolle als Vater ist oder in meiner Rolle als Partner, oder in meiner Rolle als Geschäftsführer und Kollege. Solange bei mir die Freude größer ist als das Leiden, bin ich erfolgreich. Und in Punkto Firma würde ich das wahrscheinlich genauso bewerten. Solange es irgendwie geht, ist es erfolgreich.
Barbara: Und mal angenommen, du kennst deine Zahlen im Unternehmen nicht, die sind keine Messlatte. Was ist es dann?
Niko: Dann wärs wohl ein leeres Lager. …Wir bauen, und irgendwie wird das Lager nicht voller.. weil die Nachfrage da ist.
Pia: Die Gegenfrage zum Erfolg: Wann ist es denn genug?
Niko: Es gibt da glaube ich kein «Genug«, und da meine ich gar nicht die Wirtschaftlichkeit. Also ich rede jetzt nicht davon, dass selbst wenn ich hundert Millionen Euro verdiene, dann ist es auch noch nicht genug, aber eben wir machen ja etwas, das Sinn hat. Wir versuchen ja, etwas Gutes für die Umwelt zu tun und da ist einfach immer Luft nach oben, denke ich. Also da gibt es kein »Genug«.
Barbara: Das heißt mehr ist besser, wenn die Grundidee stimmt?
Niko: Ja genau. Mehr Bewusstseinsschaffung, mehr an Reichweite. Und ich meine damit nicht implizit mehr Verkauf, mehr Arbeit, mehr Umsatz. Ich bin jemand, der sagt: Unendliches Wachstum ist Krebs. Aber im Fall von Bewusstseinsschaffung und der Verbreitung von guten Ideen sehe ich das nicht als unendliches Wachstum, sondern eher als Superorganismus, der weitergeht.
Pia: Und persönlich – wann weißt du, dass du genug hast?
Niko: Menschen wie ich müssen sich selber aushalten. Und langer Stillstand oder Langeweile ist gleich Frustration für mich und aus dem ergibt sich immer wieder irgendetwas Neues. Ich glaube, wenn es genug ist, würde es mir jemand sagen. Die Frage ist dann eher: Höre ich zu und kann ich es annehmen, oder nicht. Aber ich teste auch einfach gerne Grenzen aus, muss ich sagen. Meine Eigenen und die der Anderen.
Barbara: Du hast das wahrscheinlich schon x-Mal in Pitches erklärt, daher wirklich in aller Kürze: Was ist das Geschäftsmodell von öKlo?
Niko: Wir entwerfen, produzieren, vermieten und verkaufen mobile nachhaltige Sanitärsysteme für Baustellen und öffentliche Plätze & Events. Das heißt, wir verwenden kein Wasser oder chemische Zusätze für unseren Toilettenbetrieb. Und haben durch unser System die Möglichkeit, Fäkalien zu trennen und zu verarbeiten.
Pia: Und was ist die Vision dahinter?
Niko: Das klingt irgendwie großkotzig, aber eine neue Zeit einzuleiten, so wie damals mit dem Kanal bei den Römern. In einem Wort: die Sanitärwende voranzutreiben. Letztlich geht es für mich einfach nur darum, öKloLand in alle Länder der Welt zu bringen, die Bedarf haben.
Barbara: Und was macht das öKLoland?
Niko: Das öKloland ist ein komplett autarker Grund, wo alle biogenen Abfälle aus einer Kommune gesammelt werden. Also sprich Küchenabfälle, Grünschnitt, Strauchschnitt, Grasschnitt, tierische Abfälle, Hühnermist, Pferdemist, Gülle und menschliche Abfälle. Und die sollen dann verwertet werden zu Dünger, Biogas, Strom, Biokohle und Wasser. Und das soll dann wieder in den Naturkreislauf eingeführt werden.
Barbara: Und das regional gedacht? Also jede Kommune hat so ihr öKloland?
Niko: Ja, genau. Also so wie man heute Kläranlagen hat, gibt es in Zukunft öKLoländer dann in diesen Gemeinden.
Barbara: Wie ist denn dein Unternehmen eingebettet in das unternehmerische Ökosystem, beziehungsweise wie gestaltet ihr das auch mit?
Niko: Naja, ich glaube, das passiert automatisch eigentlich, weil ja permanent Abfälle entstehen. Wir Menschen auf der Welt werden nicht weniger, zumindest die nächsten Jahre nicht. Das heißt, es wird mehr Bedarf an Nahrung und allem Drum und Dran bestehen. Das heißt, auch die Abfälle werden mehr, was jetzt nicht nur Fäkalien und so angeht, sondern auch alles andere. Und insofern wird einfach Bedarf für Verwertung da sein. Das Nächste ist, dass heute durch das Bevölkerungswachstum rurale Gegenden immer interessanter oder neu aufgeschlossen werden, um da neue Siedlungsgebiete zu ermöglichen. Und eben da findet bereits ein Umdenken statt. Es gibt zum Beispiel in Wien den ersten Gemeindebau, der diese EOOS-Toilette drinnen hat, wo der Urin abgetrennt wird im Klo. Das ist nicht nur ein Haushalt, das ist ein gesamter Gemeindebau und das ist erst ein Test. Aber es zeigt auch, in welche Richtung es in Zukunft gehen wird und kann. Und eben deswegen denke ich mir, wenn es die Möglichkeit gibt, Abfälle gut zu verwerten, dann werden Kommunen, also vor allem Gemeinden beziehungsweise große landwirtschaftliche Betriebe das künftig auch mehr in Anspruch nehmen.
Pia: Betreibt ihr aktives Lobbying für die Sanitärwende?
Niko: Aktives Lobbying betreiben wir aktiv eigentlich nur, wenn es um den gesetzlichen Rahmen für die Kompostierung geht, wo wir tatsächlich kleine Erfolge immer wieder feiern können.
Pia: Stemmt ihr das alles aus eigener Hand, oder gibt es Partner, die helfen?
Niko: Nein, natürlich nicht alleine. Zum Beispiel diese Struvitfällung, an der wir jetzt dran sind, und was wirklich ein Big Thing ist – das hätte ich nicht allein geschafft. Das hat noch nie jemand vor uns gemacht. Das ist komplett neu. Und ich habe damit selber direkt nichts zu tun. Ich habe nur die richtigen Leute zusammengesucht, habe denen gesagt: Okay, probieren wir das. Ich weiß jetzt, was Struvit ist. Vor drei Monaten habe ich davon noch überhaupt nichts gewusst.
Pia: Nach welchen Kriterien bringst du Leute zusammen?
Niko: Wenn ich spüre, dass ein Wille da ist und ein Interesse und auch dieses Rebellische zu sagen: Ich möchte wirklich etwas verändern. Wenn ich das spüre, dann kriegt der oder diejenige eine Chance bei uns. Das gilt für Forschung und Entwicklung. … wenns um unsere Zukunft geht, dann suche ich mir Leute, bei denen ich spüre, dass sie dieselben Ziele und Werte haben wie ich.
Pia: Was sind das für Werte?
Niko: Familiär, freundlich. Im unendlichen Kreislauf denken und handeln.
Pia: öKlo bist ja nicht nur du. Da hängen mittlerweile viele andere daran. Wie schafft ihr das, dass dieses Vehikel gemeinsam in die gleiche Richtung fährt? Also so, dass alle an einem Strang ziehen, wie man so schön sagt?
Niko: Ja, das tut sowieso nicht jeder. Der Haselsteiner hat immer gesagt: Wenn du es schaffst, dass zwei Drittel in dieselbe Richtung fahren, dann bist du sehr gut. Ich glaube, wir sind besser.
Barbara: Was würden deine Leute zum Teamspirit sagen?
Niko: Wir machen also einmal im Monat Teammeetings, wo alle zusammensitzen und wo dieses Thema eigentlich immer wieder besprochen wird. Wie geht es euch? Wie ist die Stimmung? Und der Großteil ist sehr, sehr dankbar, dass er bei uns ein zu Hause gefunden hat. Wir geben sehr viel Stabilität im Team. Eben weil wir doch ein teils etwas ungewöhnliches Personal haben. Wir haben nicht die sehr gebildeten Leute, sondern auch einige Langzeitarbeitslose, nicht zum System passende, unangepasste Menschen bei uns. Und das ist auch, warum ich das mache. Weil es ein ur-gutes Gefühl ist, zu wissen, der wirtschaftliche Erfolg ist nicht oberste Priorität, sondern eben auch wenn du jemanden seit 6 Jahren im Team hast, der davor jahrelang arbeitssuchend war. Die soziale Komponente, die ist mir wichtig.
Pia: Ist das eine bewusste Entscheidung oder hat sich das so entwickelt?
Niko: Ich glaube, es gibt Werte, die du als Person mitbringst in dein Unternehmen. Wir kommen ja aus dem Musikbereich, haben Reggae-Festivals veranstaltet. Dort zählen One love und Equal Rights and Justice, dann kannst du nicht plötzlich sagen: Jetzt bin ich Chef und jetzt zählt das alles nicht mehr.
Barbara: Die Abschlussfrage. Welche Band wünschst du dir als unsere Bundesregierung und warum?
Niko: Musik ist mir enorm wichtig. Da sage ich jetzt nicht einfach irgendetwas. Das muss ich gut überlegen.
Es gibt ja tolle Bands, die einfach nur toll sind. Aber ich brauche einen Grund, warum die in der Bundesregierung sind. Das ist gar nicht so leicht. Mist! Nein, du kannst keine Punks nehmen, das funktioniert nicht. Rooster geht auch nicht. Ja, Politik ist einfach Mist irgendwie. Das ist das Problem. Es passt überhaupt nicht zusammen eigentlich. Ich glaube, deswegen tue ich mich so schwer. Ich müsst mir eigentlich jetzt mal die Frage stellen, was wünschte ich mir für unsere Bundesregierung?
Pia: Was wünschtest du dir denn?
Niko: Ja. Also, was ich mir wünschte, wäre: Weit weniger Eskalation und mehr Deeskalation in allen Bereichen. Vielleicht sogar mal ein bisschen Stillstand erzwingen, weil einfach da, wo wir gerade so stehen, auch überreformiert worden ist. Manchmal habe ich den Eindruck, dass die Reformer selber nicht nachkommen mit ihren Reformen. Und ich würde mir wünschen, einen Rat. Das ist eigentlich, was ich mir viel mehr wünsche als diese ganzen Hanseln, die da drinnen sitzen. Einen Rat.
Pia: Sowas wie einen Bürgerrat, meinst du? Oder Expertenräte?
Niko: Ja, also ich würde mal eher sagen, dass aus allen Bereichen oder aus mehreren Bereichen jemand dabei sein soll. Eben wie du schon gesagt hast, so Elternvertreter und so Leute aus der normalen Bevölkerung quasi, also wo du sagst: Die sind in einem ganz normalen Brotberuf. Dann hast du aber auch Wissenschaftler dabei zum Beispiel. Eventuell kann man darüber nachdenken Theologen, aber wenn, dann nur von mehreren Religionen, also jetzt nicht von einer spezifischen und wo man dann versucht gewisse Themen..
Alter, nein! Entschuldigung, sorry, alles zurück zur Anfangsfrage. Ich meine, ich kann schon noch weitererzählen, aber ich habe eigentlich meine Antwort. Die Band heißt ChatGPT.
Barbara: ChatGPT als Bundesregierung?
Niko: Ja. Ich bin der Meinung, und da bewege ich mich jetzt auf sehr dünnes Eis. Ich glaube, dass künstliche Intelligenz uns Menschen zu besseren Menschen macht. So und ich glaube, dass viele Werteentscheidungen, die emotional getroffen werden oder aufgrund von Ego, Stolz oder sonst etwas, gerade in der Politik, in so einer Domäne von einem Computer, der vielleicht gerade nicht auf Koks ist, besser getroffen werden könnten als von den meisten Politikern.
Barbara: Voll spannend. Das bringt mich zum Denken. Und ich finde, hier ist ein guter Punkt, um das Interview zu beenden. Mit einem Cliffhanger zum Weiterdenken. Danke Niko für deine Zeit und Offenheit!