War die Zukunft früher besser?
Trend- und Zukunftsforscher Tristan Horx spricht mit unseren Podcast-Gastgeber:innen Mari Lang – Journalistin, Autorin und bekennende Feministin – und Lothar Wenzl – Trainconsulting Geschäftsführer und Unternehmensberater – über das, was vor uns liegt:
Warum sind die klassischen Megatrends nicht mehr zuverlässig?
Wieso brauchen wir neue Narrative, um mit Krisen umzugehen?
Und was bedeutet Agency – die Fähigkeit, trotz Unsicherheit aktiv zu gestalten – für Unternehmen und Führungskräfte?
Eine inspirierende Folge über Mut, Veränderung und die Zukunft, die wir gemeinsam erschaffen.
»Das muss tatsächlich wehtun, denn sonst verändert sich nichts … Deswegen begrüße ich die Krise, da ich sie produktiv nutzen und möglichst schnell hinter mich bringen will.«
Tristan Horx
Tristan Horx – Zukunftsforscher & Speaker
Tristan Horx zählt zu den führenden Zukunfts- und Trendforschern Europas. Als Keynote-Speaker, Autor und Gesellschaftsanalyst beschäftigt er sich mit den großen Fragen unserer Zeit: Wie verändern sich Wirtschaft, Gesellschaft und Führung? Welche Trends bestimmen unsere Zukunft? Und wie können Unternehmen aktiv gestalten statt nur zu reagieren?
Aufgewachsen in einer Familie von Zukunftsforscher:innen, verbindet er wissenschaftliche Erkenntnisse mit praxisnahen Analysen und einer kritischen Perspektive auf alte Denkweisen. Sein Fokus liegt auf Generationenwandel, Megatrends und gesellschaftlicher Transformation – immer mit dem Ziel, Zukunft aktiv zu gestalten.

Wir wollen nicht nur über das Besserwerden reden, wir wollen tatsächlich besser werden.
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Wer nicht hören will, muss lesen! Hier der Podcast zum Nachlesen:
»Die Schöne und das Biest. warum schöne Organisationen die Welt verändern.«
Ein Podcast von Mari Lang und Trainconsulting Geschäftsführer Lothar Wenzl
Mari Lang: Das Jahr 2025 hat auf den unterschiedlichsten Ebenen spannend begonnen. Lothar, wie stehst du zur Zukunft, was das Berufliche betrifft? Würdest du weiterhin hinsichtlich der Unternehmensberatung und Organisationen generell sagen, es braucht schöne Organisationen, oder braucht es vielleicht ganz etwas Anderes?
Lothar Wenzl: Das ist eine gute Frage, die mich fast überrascht, weil die Antwort ist für mich ein klares »Mehr denn je«. Denn, wann, wenn nicht jetzt, braucht es Schönheit in dieser Welt und schöne Organisationen?
Mari Lang: Wir sind in der letzten Folge bei mir am Esstisch gesessen und haben ein bisschen resümiert, heute jedoch wollen wir in die Zukunft blicken. Da ich ungarischer Abstammung bin, war es dort oft auf der Straße so, dass Frauen kamen und mir die Hand lesen und meine Zukunft vorhersagen wollten. Nun hast du letztens gesagt, dass Gefühl für dich immer wichtiger im Kontext mit Organisationen wird. Welches Gefühl hast du hiernach, wenn du in die Zukunft blickst?
Lothar Wenzl: Ich bin grundsätzlich ein gestalterischer, optimistischer Mensch, oder besser gesagt, ein zuversichtlicher Mensch. Deswegen glaube ich auch, dass die Zukunft gut wird, denn wir haben gar keine andere Wahl. Die spannende Herausforderung ist diesbezüglich, dass wir dafür viel tun müssen und insbesondere unser Denken, Fühlen, Handeln verändern müssen, das ist aber für einen Veränderungsberater wunderbar.
Mari Lang: Wir werden heute über die Zukunft ohne Glaskugel, ohne Handlesen, sondern mithilfe der Forschung sprechen.
Tristan Horx: Wichtig festzuhalten ist, dass die Zukunft früher besser war. Die guten alten Megatrends wie Globalisierung, Digitalisierung, Individualisierung, Urbanisierung und all diese großen Trendbegriffe sind 40 Jahre lang schön linear vor sich hin gestiegen und man konnte sie dementsprechend wunderbar prognostizieren. Gegenwärtig funktioniert dieses Modell nicht mehr, denn wir befinden uns in einer transformativen Phase, und dafür braucht es aktuell neue Begrifflichkeiten und Trendbegriffe.
Lothar Wenzl: Der Fachbegriff heißt Agency. Wir brauchen Gestaltungskraft, die in dieser Unsicherheit immer noch gestaltet, und da draußen Wirkung erzielt, ohne zu vergessen, dass wir dabei lernen und selbstreflektiert bleiben müssen. Das ist meine Definition.
Tristan Horx: Weiterhin merke ich, dass ich immer näher an das Feld der Glücksforschung herankomme. Weil, wenn die wirtschaftlichen Parameter nicht mehr passen und alles unsicher ist, ist die Frage, worauf man sich als Baseline berufen kann oder, was noch ein Fortschrittsindikator ist. Diesbezüglich finde ich, wie glücklich wir sind, gar nicht so schlecht.
Lothar Wenzl: Ich möchte nicht positiv verstanden werden, was die Gegenwart betrifft, denn wir sind in einer Multikrise. Daher müssen wir bei uns selber stark aufpassen, dass wir als Menschen nicht viel zu sehr in diesen roten Bereich gehen, weil das würde uns lähmen. Wobei Unternehmerinnen und Unternehmer das anders sehen und fühlen, denn sie sehen Chancen und wollen aus diesen etwas machen.
Tristan Horx: Ich sehe mich immer ein bisschen als Generationsheiler, da ich versuche diese Gräben ein bisschen zu heilen, die oft einfach Kommunikationsschwierigkeiten sind. Denn wir haben unseren gemeinsamen sozialen Raum, in dem wir uns begegnet sind wie, polemisch ausgedrückt, den Marktplatz, das Wirtshaus und so weiter. Doch wir haben immer weiter digitalisiert und haben nun eine junge Generation, die aktuell sehr früh da digital einsteigt. Dabei sind wir nach Generationen sehr stark alterssegmentiert, das bedeutet, es gibt keine jungen Leute mehr auf Facebook und es gibt keine alten Leute auf TikTok. Das soll heißen, dass die erste wirkliche Begegnungsfläche mit der echten Welt für diese jungen Leute die Unternehmen sind.

Mari Lang: Die Schöne…
Lothar Wenzl: Und das Biest.
Mari Lang: Warum schöne Organisationen die Welt verändern, ein Podcast von…
Lothar Wenzl: Mari Lang…
Mari Lang: Und Trainconsulting Geschäftsführer Lothar Wenzl. Herzlich willkommen zu einer weiteren Ausgabe von »Die Schöne und das Biest« sagen…
Lothar Wenzl: Lothar Wenzl…
Mari Lang: Und Mari Lang.
Wir haben heute jemanden eingeladen, der von Berufswegen Zukunfts- und Trendforscher ist. Er selbst bezeichnet sich als wütender Optimist. Er ist Anfang 30 und heute bei uns zu Gast. Sein Name ist Tristan Horx. Herzlich willkommen.
Tristan Horx: Vielen Dank für die Einladung.
Mari Lang: Nun haben wir im Vorfeld bereits ein bisschen darüber, wie die Zukunft wird, gesprochen. Dabei habe ich gehört, das ist deine Lieblingsfrage.
Tristan Horx: Weil sie unendlich viel Spielraum lässt. Aktuell kann ich über alles Mögliche reden, und momentan wollen wir insbesondere wissen, wie es mit dem Thema des gesellschaftlichen Zusammenhalts und der Wirtschaftlichkeit weitergeht. Denn das sind die großen Fragen, die die Leute akut herum treiben. Hierbei kann man jedoch relativ wütend optimistische Prognosen setzen. Weil sich die Frage, warum momentan alles so wehtut, viele Menschen stellen. Dabei ist es egal, welche Branche, egal, wo man hinschaut, es sind alle Alarmlampen an. Das ist tatsächlich bitter notwendig.
Die These, mit der ich arbeite, und hiermit einmal in den Raum werfe, ist, dass wir eine Omnikrise aktuell haben. Diese ist allerdings ganz wichtig, sodass wir als Menschheit überhaupt in das nächste Zeitalter hineinkommen. Die Hauptthese, ist, dass wir uns aktuell vom fossilen industriellen Zeitalter in das nächste bewegen. Was wehtut. Das muss tatsächlich wehtun, denn sonst verändert sich nichts.
Man hört es ein bisschen, ich habe viel Zeit in Deutschland verbracht, und dort geht ohne Krise gar nichts. Da dies eines der Länder ist, das erfolgreich mit der fossilen industriellen Welt geworden ist, bedeutet das, dass die diese Krise haben müssen. Deswegen begrüße ich die Krise, da ich sie produktiv nutzen und möglichst schnell hinter mich bringen will.
Mari Lang: Mit Gesellschaft und Wirtschaft sind wir mittendrin in unserem Podcast, denn genau darum geht es. Ich habe das Gefühl gehabt, Lothar, du wolltest sofort etwas darauf sagen.
Lothar Wenzl: Ich wollte gar nicht etwas darauf sagen oder entgegnen, sondern da anschließen. Die Krise von Gesellschaft und Wirtschaft ist notwendig, du hattest gesagt, wir brauchen sie. Wir beschäftigen uns sehr viel mit dem Thema Bewusstsein, weil wir aus der Bewusstseinsforschung sehr klare Signale bekommen, dass das kollektiv Unbewusste im Moment beispielsweise über Wahlen Menschen in Positionen wählt, die diese Krise beschleunigen, weil wir wissen, es muss sich dramatisch etwas ändern, um möglicherweise schneller durchzukommen. An dieser Frage ist etwas dran. Denn wir brauchen sie immer, weil sich sonst nichts verändert. Des Weiteren brauchen wir eine wirklich innovative, disruptive, neue Welt.
Mari Lang: Was ich aber vor allem in meinem Umfeld und unter Wirtschaftstreibenden beobachte, ist, dass Krisen die Macht oder die Auswirkung haben können, dass es Menschen lähmt. Wie gehen wir damit um? Beziehungsweise, was bedeutet das für Unternehmerinnen und Unternehmer, wenn eine Krise daher kommt, und wir sind gefühlt seit Jahrzehnten ständig in der Krise, wenn einhergehend eine innere Lähmungserscheinung auftritt, weil es zu viel wird. Ich möchte das entgegenhalten, weil das bisher alles so positiv klingt wie, es ist sehr gut, dass wir in der Krise sind, weil das hilft uns.
Lothar Wenzl: Ich möchte nicht positiv verstanden werden, was die Gegenwart betrifft. Wir sind in einer Multikrise, bei der wir selber sehr stark aufpassen müssen, dass wir als Menschen nicht viel zu sehr in diesen roten Bereich gehen, weil das würde uns lähmen. Unternehmerinnen und Unternehmer sehen und fühlen das anders, denn sie sehen Chancen und wollen aus denen etwas machen, und sie wollen weitergehen. Der Fachbegriff dafür heißt Agency. Denn wir brauchen Gestaltungskraft, die in der Unsicherheit immer noch gestaltet und Wirkung da draußen erzielt, ohne zu vergessen, dass wir dabei lernen und selbstreflektiert bleiben müssen. Das wäre meine Definition. Das brauchen wir in dieser Welt, und das ist eine große Herausforderung, die selbstverständlich viele Menschen lähmt.
Tristan Horx: Aber, wenn ich es hart formulieren darf, genauso sollte das freie Spiel des Marktes funktionieren. Das bedeutet, wenn eine Krise kommt, und ich als Unternehmensführung dermaßen erstarre, dass ich nichts ändere, muss diese Auslese passieren, sonst entwickelt sich evolutionär nichts weiter. Insofern ist das wieder, dies ist weder zynisch noch sonst etwas gemeint, zu einem gewissen Grad notwendig. Wir können allerdings mit der richtigen Beratung Leuten helfen, diese Blockade in Richtung Zukunft zu lösen. Diesbezüglich finde ich das Wort Agency wunderbar. Es gibt kein gutes deutsches Wort dafür, denn Selbstwirksamkeit klingt zu weich. Das heißt, Agency ist wirklich fantastisch. Diese wieder zu erlangen, sodass man überhaupt einen Möglichkeitsspielraum, als nächstes blöde Wort im Deutschen, hat, das ist notwendig. Denn sonst muss der Markt und die Wirtschaft solche Unternehmens- und Führungsstrukturen auslesen, andernfalls haben wir keinen sinnvollen freien Markt, bei dem sich dieser weiterentwickelt, um sich an die Moderne und an das nächste Zeitalter anzupassen.
Mari Lang: Wie können nun Unternehmen in diese Agency, in diese Selbstwirksamkeit kommen? Weil diejenigen, die sich an euch, an Trainconsulting wenden, denen ist bereits bewusst, dass sie ins Tun kommen müssen und dass Veränderung stattfinden muss. Nur, wie kann dies konkret aussehen?
Lothar Wenzl: Erst einmal wenden sich viele Unternehmen an uns, die eigentlich ratlos sind und die nicht wissen, warum sie in der Krise sind oder was genau los ist. Sie haben zwar Bilder dazu, aber die wollen es genauer wissen. Was sehr häufig wichtig ist, um die richtigen Schlüsse für das Gestalten in die Zukunft hinein zu finden. Das erleben wir demnach immer wieder. Wie man dort nun hinein kommt, ist ein komplexes Vorhaben, weil wir an dem individuellen Bewusstsein, an den individuellen Fähigkeit arbeiten müssen, und die Menschen an sich selbst arbeiten müssen.
Aber ich formuliere die Frage einmal anders, denn, wenn ich auf die Frage antworten müsste, wie wir auswählen, mit wem wir arbeiten, und was ein sinnvoller Veränderungsweg sein könnte, geht es für mich immer darum, zu schauen, wo die Gestalter:innen in der Organisation, die Auftraggeber:innen für uns sind. Außerdem, wie weit diese in ihrem Bewusstsein vorgedrungen sind, dass sie wissen, was Veränderung bedeutet und, dass Veränderung heißt, dass ich durch die Tiefen hindurch muss, ich selber lernen und mich zeigen muss. Es geht darum, das einmal herauszufiltern, ob Menschen dafür bereit sind, und das durch unsere Arbeit zu fördern. Das betrifft uns ebenso, denn wir stehen genauso dort drinnen, und wissen teilweise nicht, was wir gerade tun sollen, weil wir selber unsicher sind. Dies zur Verfügung zu stellen und dort hineinzugehen, ist für mich der Gradmesser, aber das ist desgleichen der Weg.
Mari Lang: Tristan, du kommst aus einer Zukunftsforscher Familie. Das heißt, es gibt dort viel Erfahrung im Hintergrund. Würdest du nun aus deiner persönlichen Erfahrung und aus denen der Forschung sagen, dass die Zukunft schwerer vorhersehbar geworden als früher ist?
Tristan Horx: Wichtig festzuhalten ist, dass die Zukunft früher besser war. Denn damals war sie linearer und kalkulierbarer, nun ist sie erratischer geworden. Es gibt immer eine leichte Verkennung bei dem Thema Zukunftsforschung, weil für mich und uns ist es viel leichter, fernere Prognosen zu treffen als nähere. Man würde zwar immer annehmen, je weniger Zeit vergangen ist, desto einfacher ist es, die Prognose zu treffen, aber genau das Gegenteil ist der Fall. Ich kann mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit sagen, dass wir 2038, 2040 beispielsweise in die Null-Grenzkosten-Gesellschaft kommen, wo insbesondere Energie als Flatrate bezahlbar wird. Nun müssen wir darüber nachdenken, was das mit der Industrie, mit der Wirtschaft, mit den Wirtschaftsfeldern macht, wenn man auf einmal nicht für mehr Energie mehr zahlen muss? Das ist sehr interessant, und dies kann man sehr sicher prognostizieren. Wer hingegen die nächste WM oder EM gewinnt, das ist relativ schwierig.
Mari Lang: Das ist hier an dieser Stelle relativ egal.
Lothar Wenzl: Das finde ich nicht.
Tristan Horx: Darauf könnte man eine Menge Geld setzen und ebenso auf Börsenkurse und so weiter, die sich bereits schizophren verhalten. Das stimmt. Deswegen ist momentan der interessante Zeitraum für meinem Beruf die Trendforschung, die Gegenwartsanalyse. Weil wir alle in dermaßen getrennten Gegenwarten leben, dass allein dies einmal wirklich zu versuchen, wobei man es nicht hundertprozentig objektiv kann, zu bemessen, der erste Schritt ist. Denn die ferneren Zukunftsprognosen zu treffen können wir im Gegensatz zur kurzfristigen Zukunft. Eine lange Zeit lang sind die guten alten Megatrends wie Globalisierung, Digitalisierung, Individualisierung, Urbanisierung, all diese großen Trendbegriffe, 40 Jahre lang schön linear vor sich hin gestiegen, und man konnte sie wunderbar prognostizieren.
Allerdings funktioniert dieses Modell nun nicht mehr. Denn wir sind in einer transformativen Phase, für die es neue Begrifflichkeiten und Trendbegriffe braucht, um damit umzugehen. Jedoch ist es aus meiner beruflichen Perspektive eine unglaublich spannende Zeit. Weil, als die Zukunft so fix und fertig war, wie wir das dachten, musste man eine lange Zeit lang nicht zum Profi, aber aktuell, wo die Zukunft für die meisten unsicher geworden ist, kommen sie doch zum Profi. Was wiederum ganz gut für mich ist. Man sollte gleichfalls sagen, dass nebst diesem Ganzen, es wird alles immer schlimmer und alles ist schrecklich, die Menschen, wenn man sich die individuellen Glücksstatistiken ansieht, kaum unglücklicher seit 2019 geworden sind. Aber, wenn man die Deutschen und die Österreicher fragt, wie sie denken, dass es den anderen Deutschen und Österreicher:innen geht, hat sich die Zahl mehr als halbiert. Wir sollten im deutschsprachigen Raum wissen, was passiert, wenn man einen derartig kollektiven Weltuntergangsmythos erzählt, und sich immer weiter darin suhlt. Weil das nimmt die eigene Verantwortung sehr heraus, denn man hat null Agency, und gibt sie ab.
Daraus folgt, dass die anderen schuld sind, das System ist schuld, alles Drum und Dran ist schuld. Dabei sind die meisten Leute individuell gar nicht dermaßen unglücklich geworden. Es ist eine komische und paradoxe Situation, bei der ich merke, dass ich immer näher an das Feld der Glücksforschung heran komme. Weil, wenn die wirtschaftlichen Parameter nicht mehr passen und alles unsicher ist, worauf man sich noch als Baseline berufen kann, und was noch ein Fortschrittsindikator ist, finde ich, wie glücklich wir sind, ist kein schlechter. Das bedeutet mit Blick auf die ewigen Regierungsverhandlungen in Deutschland und Österreich, dass man vielleicht einmal ein Ressort oder ein Ministerium für Glück schaffen sollte, schließlich wäre dies einmal eine sinnvolle, positive Erzählung.
Lothar Wenzl: Wir können ein Narrativ verändern, du hast gerade angesprochen, dass dieses im Moment kollektiv depressiv ist, zu etwas wie, wir haben hier ganz viel zu tun, denn das könnte eine Gesellschaft zusammenbringen. Das ist übrigens eine der Aufgaben an die Politik, wo ich im Moment maßlos enttäuscht bin, dass das nicht passiert, und dass kein Zukunftsentwurf gedacht wird, weil damit hast du kein Narrativ zur Verfügung, das brauchen wir aber. Dementsprechend eine Antwort auf deine Frage vorher, was Organisationen brauchen, ist, sie brauchen starke Narrative, die glaubwürdig sind und die Menschen mitnehmen. A story that moves us, das heißt, eine Geschichte, die uns wirklich in die Zukunft führen kann.
Tristan Horx: Das Frustrierende ist, dass ansonsten immer die Vergangenheit gewinnt, weil der Markt für Vergangenheitsverherrlichung so groß ist wie noch nie. Doch es tut mir leid, aber es kommt so nicht wieder. Denn die Wirtschaft in Europa wird nicht davon leben, dass wir möglichst viel Dinosaurier-Saft verbrauchen und damit schöne Sachen bauen. Allerdings werden wir noch immer schöne Sachen bauen, nur muss der Antrieb und der Fortschwung etwas Anderes sein. Man sieht das an den ganzen Kulturkämpfen, diesem, sich dahin zurück retten wollen, als die Zukunft noch gut war, das treibt mich in den Wahnsinn, weil man das nur, wie du sagtest, mit einem Gegenentwurf, mit einem Gegennarrativ besiegen kann. Stattdessen liebäugelt man aber eher mit der Vergangenheit und schaut, wen man abgraben kann, was mich ebenfalls in den Wahnsinn treibt.
Mari Lang: Wir machen es nun vielleicht ein bisschen konkreter anhand von Themen fest, wobei da das Generationenthema hinein kommt, das eines deiner Hauptgebiete ist, wenn man so möchte, Tristan.
Lothar Wenzl: Ich bin gespannt.
Mari Lang: Ich schaue bezüglich älterer Generationen in deine Richtung, Lothar.
Lothar Wenzl: Ich bin eine Generation älter als du. Eine, das ist gar nichts.
Mari Lang: Man hört von diesen sehr oft, was tatsächlich schon immer so war, dass früher alles besser war, und hat dort dieses Liebäugeln mit der Vergangenheit. Inwiefern spielt das nun in unternehmerischen Kontexten eine Rolle? Weil dort immer wieder kommt, das höre ich jedenfalls sehr oft, wobei ich nicht weiß, wie es dir geht, dass bei der jüngeren Generation Gräben dazwischen sind, denn die haben eine andere Einstellung zum Thema Arbeiten und die wöllten so viel. Dementsprechend hieße es dort zuerst einmal: »Was kannst du mir als Unternehmer bieten«, und nicht andersrum: »Wie kann ich etwas beitragen?«. Inwiefern spielt das in deiner Arbeit als Trend- und Zukunftsforscher eine Rolle?
Tristan Horx: Das ist meine Hauptaufgabe. Dabei sehe ich mich immer ein bisschen als Generationsheiler, das versuche ich zumindest, der diese Gräben ein bisschen heilt, weil das oft nur Kommunikationsschwierigkeiten sind. Die Grundlage, von der wir ausgehen müssen, ist, dass wir unseren gemeinsamen sozialen Raum haben, in dem wir uns begegnet sind, polemisch gesagt, so etwas wie der Marktplatz, das Wirtshaus und so weiter, was wir jedoch immer weiter digitalisiert haben. Nun haben wir aber eine junge Generation, die sehr früh dort digital einsteigt. Dabei sind wir nach Generationen sehr stark alterssegmentiert, das bedeutet, es gibt keine jungen Leute mehr auf Facebook, und es gibt keine alten Leute auf TikTok. Das soll heißen, dass die erste wirkliche Begegnungsfläche mit der echten Welt für diese jungen Leute die Unternehmen sind.
Dort läuft es jedoch meistens nach Senioritätsprinzip. Dementsprechend hast du Seniors, die erfahrenen Leute, die auf diese jungen Leute zu prallen. Oft ist es, dass, wenn man das in einem sinnvollen Diskurs löst, und die ein bisschen miteinander reden lässt, man darauf kommt, dass alle Work Life Balance wollen, und das nicht nur das Thema der Jugend ist, aber ganz oft wird es in diesen Klischees verloren. Weil es ist egal, aus welcher Generation man kommt, denn die vorherige Generation hat einen immer faul und unfähig und verweichlicht genannt, das ist bis in die Antike zurückzuverfolgen. Aber grundsätzlich ist mein Interesse, was ebenso für gesellschaftliche, soziale Systeme sehr wichtig ist und gerade für Unternehmen, wie man das rebellische, hinterfragende Potenzial der Jugend, welches absolut gerechtfertigt ist, denn es ist sogar ihre Aufgabe zu hinterfragen, ob sie jeden Tag acht Stunden im Büro absitzen müssen, wenn sie nur vier Stunden davon arbeiten, mit dem Strukturwissen, der Erfahrung und der Weisheit des Seniors kombiniert.
Was uns aber passiert ist, ist, dass die richtig brennenden, innovativen Leute in die Startup-Welt gehen, dort zu 99,9 Prozent scheitern und mit 30 als gebrannte Seelen zurück in den Arbeitsmarkt kommen, nun aber keinen Lust mehr haben, irgendetwas zu machen, was fair enough ist. Weil diese Unternehmen in der Startup-Welt immer an der Erfahrung, Wissen, Weisheit, und dem fehlenden Strukturwissen scheitern. Während die großen, alten, erfolgreichen Unternehmen genau das andere Problem haben, denn denen fehlt das kreative, innovative Potenzial. Ich sehe das immer als meine Aufgabe, diese Welten wieder zusammenzuführen, weil am Ende funktioniert das, denn man hat the best of both worlds. Das haben wir aber verlernt, weil wir uns die ganze Zeit in diesen Klischees verlaufen wie, der kann nichts, der ist faul und dumm, oder Ü50 kann gar nicht mehr digital sein, daher kann man die nicht mehr gebrauchen. Diese Klischees treiben mich in den Wahnsinn, ich weiß jedoch nicht, wie du das in der systemischen Beratung siehst, aber hoffentlich ähnlich.
Lothar Wenzl: Mir hat gefallen, ich habe das sogar hier einmal von dir zitiert, dass die erste Begegnungsfläche die Unternehmen sind. Das ist einer der Gründe, warum ich so überzeugt bin von dem, was wir tun, weil wir diese Plattform, diesen Raum der Organisation, des Unternehmens, Organisation hierbei in jeder Hinsicht, nutzen, um Dialog zu ermöglichen. Es geht in der Veränderung im Führen, im gemeinsam etwas Weiterbringen nur um die Frage, wie wir in Kommunikation, in den Dialog kommen, und wie wir uns einigen über alle Unterschiede hinweg. Das bedeutet, wie kommen wir zu einem gemeinsamen Bild unabhängig von Altersunterschieden, Geschlechterunterschieden, Perspektiven, oder jedwedem Diversitätsaspekt? Wie kommen wir zu einem gemeinsamen Bild und zu gemeinsamen Entscheidungen und damit zu gemeinsamem Handeln für die Zukunft und zu gemeinsamem Denken und Fühlen für die Zukunft? Das ist das, was wir tun. Dort haben wir mit den Unternehmen, mit den Organisationen ganz große Plattformen in den Händen, die die Keimzelle heutiger gesellschaftlicher Entwicklung sind.
Mari Lang: Aber ist es nicht in Unternehmen so, dass die Einstellungen zur Arbeit in den unterschiedlichen Generationen anders gelagert sind? Sodass beispielsweise die Jüngeren gar nicht mehr bereit sind, ins Büro zu kommen, weil sie wissen, dass es andere Möglichkeiten und Tools gibt. Die Älteren aber sagen, dass sie mit den neuen Tools nicht arbeiten möchten, weil sie das nicht gewohnt sind, und das Miteinander, das gemeinsame irgendwo Sitzen und in die Kaffeeküche gehen, brauchen. Es folglich starke Realitätsunterschiede gibt. Wie bekommt man das zusammen?
Lothar Wenzl: In gesunden Organisationen sind diese Fragen viel weniger präsent als in anderen Unternehmen. Ich kann es nicht mehr hören, aber der Gender-Unterschied wird teilweise überfokussiert, das heißt zwar nicht, dass er nicht wichtig ist, aber beispielsweise Jung und Alt zusammenzubringen, ist gar kein Thema. Weil es ist tatsächlich logisch, denn jedes Unternehmen, jeder Unternehmer weiß, er braucht junge Menschen in seiner Organisation, dass er die anziehen und ihnen das beste Umfeld bieten muss, damit er die überhaupt bekommt. Eine große Herausforderung für die Gesellschaft insgesamt ist es daher, mit diesen Unterschieden umgehen zu lernen, denn aktuell sind wir nicht gut darin. Das wurde früher am Wirtshaustisch verhandelt.
Tristan Horx: Ebenso das Regulativ fehlt ganz stark.
Lothar Wenzl: Wir hatten eine lange 20-jährige Phase gehabt, wo weder der Hierarchie alles gleich war, und wir versucht haben kreisförmige Organisationen ohne Hierarchie zu bauen. Doch diese Fantasien funktionieren nicht, denn so etwas wie Leadership-Autorität ist etwas höchst Wichtiges, um Komplexität beispielsweise zu reduzieren. Nun kommen wir aber wieder, oder mehr und mehr darauf, dass es so nicht funktioniert.
Tristan Horx: Ein bisschen Hierarchie ist gut.
Lothar Wenzl: Wir sind schließlich nicht alle gleich. Wenn wir denken würden, wir wären alle gleich, müssten wir alle diese Unterschiede nicht bearbeiten. Was absurd ist, weil aus den Unterschieden wird es produktiv und energievoll, kommt eine produktive Spannung herein. Das ist das Spannende. Aber, wie seht ihr das in der Zukunftsforschung? Weil ich sehe einen Unterschied, und dazu vielleicht eins noch, wir haben Reichtum, Vermögen ohne Ende, das heißt, viele junge Menschen haben alles, was sie brauchen. Dabei ist die Frage jedoch, was man sich noch aufbauen muss.
Tristan Horx: Die beste Strategie, wenn du heute jung bist, ist erben. Wir sind als Zivilisation zu schnell, zu erfolgreich geworden. Wir haben beispielsweise innerhalb von 150 Jahren im deutschsprachigen Raum die Lebenserwartung mehr als verdoppelt. Damit hast du eine sehr große, sehr erfolgreiche Generation, bekanntlich die bösen Babyboomer, die alles ruiniert haben und nun in ihre wohlverdiente Rente oder Pension gehen, oder noch nicht ganz. Die haben natürlich, weil sie als Generationskohorte sehr groß und sehr erfolgreich waren, darüber hinaus einen sehr langen Zeitraum hatten, um Geld anzulegen in Immobilien oder Ähnliches, in den meisten westlichen Industrienationen 60 Prozents des Wohlstands.
Das heißt, für junge Personen, und das ist spannend, wenn man sich das detaillierter anschaut, wie man die in ein Unternehmen hineinbekommt, funktioniert Geld nicht mehr wirklich als Argument. Das sind dementsprechend nur noch so 21 bis 24 Prozent, die sagen: »Mit Gehalt bekommst du mich«. Das ist aber nicht, weil die auf der Suche nach Sinn sind oder so, sondern weil selbst eine zehnprozentige Gehaltserhöhung in der jetzigen Ökonomie für die keinen Unterschied macht. Die Lebensträume haben sich aber nicht verändert, gerade für die Deutschen, denn der alte Homo Sapiens-Traum besagt: Er will seine Höhle, sein Feuer und ein schnelles Pferd. Das hat sich insofern nicht so sehr verändert, nur ist es ökonomisch völlig außer Reichweite gelaufen, insbesondere in Fragen von Einkommen, Kredit, Fixausgaben, Miete und so weiter.
Es macht einen Riesenunterschied, ob man am Anfang seiner Karriere über 60 Prozent seines Einkommens für Fixkosten ausgibt, während man die ganze Zeit noch nachgeschrien bekommt, dass man schuld dran sei, dass die Wirtschaft untergeht, deshalb resigniert man. Ich bin aktuell 31 und ich finde es unfair, das Scheitern der Wirtschaft auf diese Generation zu pinpointen. Die haben zwar natürlich, wie jede Generation ihre eigenen Forderungen und Hinterfragungen, was ganz wichtig ist, aber ein Unternehmen, dass es nicht schafft, junges Blut anzuziehen, das wird irgendwann ausbluten. Das ist so.
Dabei ist der Arbeitnehmermarkt, in dem Sie sich befinden, wenn man so möchte, die positive Seite dieser demografischen Entwicklung. Denn, dass wir so viele Alte haben, die jetzt in Rente gehen, heißt, dass die Jungen ein sehr rares Gut sind. Daher haben die etwas zu fordern, und die dürfen etwas fordern, das ist schließlich ihr einziger Vorteil momentan am Arbeitsmarkt. Deswegen finde ich es gut, wenn die in ein Unternehmen hinein kommen und sagen: »Das ist aber nicht so, wie ihr gesagt habt«, dass die in dem Fall kündigen. Dabei ist die Macht der Kränkung nicht zu unterschätzen, weil da diese Realitäten aufeinandertreffen. Denn früher war es in Österreich so, dass du mit 20 in die VÖEST hinein gingst und mit 60 heraus kamst, was sich fundamental verändert hat, und dahinter ist eine sehr große Kränkung, die es zu beheben gilt.
Lothar Wenzl: Das ist eine gute Erklärung. Denn hinter dieser Kränkung steht mit Sicherheit das eigene Scheitern und damit die eigene Scham und Angst. Das ist eines der ganz großen Themen, die gerade in der Führung sehr häufig tabuisiert sind. Dass man sich aber eigentlich schämt, dass man es nicht geschafft hat, die Jungen zu halten oder ihnen ein passendes Umfeld zu bieten. Anstatt damit jedoch offensiv umzugehen, dass sie es nicht geschafft haben, hier etwas tun müssen und eine andere Form der Agency brauchen, gehen sie ins Opfertum.
Tristan Horx: Sind die anderen schuld.
Mari Lang: Was ich interessant finde, ist, dass es ein bisschen so herüber kommt wie als würde die junge Generation in diesem Gespräch, ich überspitze es ein bisschen, glorifiziert werden. Während die Älteren sich ihr Scheitern und die eigene Scham eingestehen müssen und so weiter. Das ist jedenfalls der Gedanke, der mir beim Zuhören gekommen ist. Wir versuchen aber nicht nur auf das Unternehmertum einzugehen, sondern gesamtgesellschaftlich ein bisschen hier Theorien zu verhandeln. Dementsprechend dieses, dass die nicht mehr bereit sind, länger als zwei Jahre in einem Unternehmen zu sein, wenn ihnen nicht das geboten wird, was sie wollen oder brauchen, ebenso für ihre Beziehungen gilt. Denn wir wissen, dass junge Menschen immer weniger bereit sind, wirklich mit einem Commitment in eine zwischenmenschliche Beziehung zu gehen. Das versuche ich gerade zu verknüpfen. Weil wir oft davon sprechen, wie wichtig Dialog und Beziehungen im Unternehmen sind, um erfolgreich sein zu können, ist nun die Frage, was wir damit machen. Des Weiteren, wie wir in Zukunft damit umgehen, dass jüngere Generationen nicht mehr bereit sind, durchzuhalten, und durch schwierige Phasen durchzugehen, die mit einem selber zu tun haben, und das ein bisschen auslagern und sagen, dass das nichts für sie wäre.
Tristan Horx: Meine große These ist, dass diese Pathologie, die du gerade beschrieben hast, und die ich teile, sich vor allem durch die Digitalisierung von sozialen Beziehungen bedingt. Denn man sieht das, ich habe das viel beforscht, beispielsweise in den Fragen von Dating, was mittlerweile eher wie ein Basar als die Suche nach der Liebe ist. Weil da greifen auf einmal marktökonomische Prinzipien, wo man sagt: »Ich bin eine Neun und du bist nur eine Sieben«, oder im Sinne von, ich muss mich gar nicht binden, denn ich habe endlose Auswahl. Das führt allerdings zu einer hohen Entpersonalisierung von Menschen, da wir unglaublich analoge Wesen sind, bei denen weit über 85 % der Kommunikation nicht auf dem auditiven oder auf dem mimischen Level abläuft.
Aber im Digitalen wird man natürlich größtenteils darauf reduziert, wie man klingt, und wie man aussieht, denn das sind die Sachen, die man dort machen kann. Das heißt, meine These ist, man wird das, und das sieht man, von der anderen Seite auslösen. Dabei macht Australien es aktuell vor. Man wird sehen, ob es so funktioniert, dass man sagt, dass die Digitalisierung, soziale Medien eine wunderbare Angelegenheit und für unsere Gesellschaft auch fantastisch sind, aber man mit ihnen umgehen können muss, weswegen man sie erst ab einem gewissen Alter haben sollte. Weil es strömt aktuell eine Generation in den Dating-Markt, in den Arbeitsmarkt oder in die Gesellschaft hinein, denen mit zwölf bereits die Kindheit genommen wurde.
Denn, wenn du soziale Medien hast, ist deine Kindheit vorbei, das ist de facto so. Wir denken an Tanzen auf TikTok, aber das sind sterbende Kinder in Gaza, und das macht etwas mit dir psychologisch. Ich lande immer in dieser komischen, paradoxen Situation, wo ich der 31-Jährige Digital Native bin, der bei Digital-Fragen relativ stark nach Regulation schreit, weil ich sehe, was das mit denen macht, und was für Konsequenzen das hat. Ich war die letzte Generation, die noch eine analoge Kindheit hatte.
Lothar Wenzl: Diese Vereinsamung ist mit Sicherheit ein großes Thema. Bei den Kernaufgaben von Führung sagen wir nicht mehr, dass wir Menschen oder Mitarbeiter führen, denn das ist absurd, wir hatten hier schon einmal darüber gesprochen, sondern viel wichtiger ist es, Beziehungen zu bauen, zu gestalten und halten zu können. Das ist die große Frage, um die es in Unternehmen, und wie du es angezogen hast, natürlich ebenso im Leben geht. Des Weiteren die Frage, wie gut es uns gelingen wird, in Kontakt zu gehen, in Verbindung zu gehen, und Beziehungen zu gestalten. Das wiederum hat mit Dialog und mit Empathie zu tun. Das ist aber eine Frage des Bewusstseins, das heißt, wo wir im Bewusstsein stehen, und wie gut wir überhaupt Emotionen und Kontakt aushalten können.
Tristan Horx: Könnte es sein, dass in den Führungswelten aktuell die Soft Skills wieder ein Comeback feiern? Ich erinnere mich noch an die Phase, wo alle Unternehmer immer geschrien haben, sie machen nun Soft Skills und sie lernen das mit der Empathie.
Lothar Wenzl: Das ist die emotionale Intelligenz.
Tristan Horx: Dieses war aber immer vorgeschoben und eine Lüge. Denn am Ende war es nichts mit Beziehungspflege, sondern: »Schön und gut, aber ich will dich noch kontrollieren können«. Aktuell wird es aber aus mehreren Gründen zu einem Wettbewerbsvorteil. Weil, wenn du die Leute nicht halten kannst, ist das extrem teuer für dein Unternehmen. Denn, wenn Leute unglücklich sind, sind sie nicht produktiv. Ohne neoliberal klingen zu wollen, löst der Markt das auf eine schöne Art und Weise wieder von selbst, indem Empathie auf einmal zu einem USP wird. Das ist schon ganz spannend, dass sich das so durchsetzt.
Mari Lang: Da kommt nun mein Spezialgebiet herein. Denn, wenn ich Soft Skills, Beziehungspflege, Empathie höre, sind das alles Eigenschaften, die bislang vor allem Frauen umgehängt worden sind, beziehungsweise bei ihnen gesehen wurden. Auf der anderen Seite nehme ich aber überhaupt nicht wahr, dass aktuell der Markt oder die Unternehmen für Frauen in Führung geöffnet werden, sondern im Gegenteil tut sich momentan wieder ein Konservatismus in Genderfragen auf.
Tristan Horx: Wir haben momentan einen Regress in allen Ebenen. Es steht außer Frage, dass die Trendströmungen, die wir jetzt spüren, nicht die sind, welche die Lösung sind, sondern die der Reflex, der Gegentrend momentan sind. Auf allen Ebenen, wie in kulturellen Fragen, in Geschlechtsfragen, in allen Fragen, kommt hier Fridays für Hubraum noch einmal um die Ecke. Das ist aber eine Phase, die dringend notwendig ist, denn Trends verursachen Gegentrends.
Die ein bisschen sehr intellektuelle Analyse des Ganzen, ist, dass wir es mit dem Postmodernismus ein bisschen übertrieben haben. Weil wir haben so lange die Moderne und alles, was wir geschaffen haben, kritisiert und die Kritik als Selbstzweck verwendet, dass nun dieser konservative Regress-, Gegentrend kommt.
Aber die Zukunft muss ebenso daraus entstehen, dass wir Sachen aus der Moderne nehmen, die sinnvoll waren und Sachen aus dem Traditionellen nehmen, die sinnvoll waren, und diese sinnvoll miteinander kombinieren. Weil Zukunft entsteht, wenn sich Widersprüche miteinander vermengen und nicht, wenn alles neu ist, nicht, wenn alles mit KI ersetzt worden ist. Ich bin noch immer zutiefst Humanist, und habe diese digitalen Erlösungstheorien satt. Das Wichtigste momentan, um diesem ganzen Wahnsinn zu begegnen, sind Kulturtechniken, die ganz tief in uns drin verankert sind. Diese vielleicht wieder zuzulassen ist momentan die Aufgabe.
Lothar Wenzl: Das teile ich, denn ich habe hier einmal genau die gleiche These mit dem Postmodernismus gehabt. Wir ernten aktuell die bösen Früchte des postmodernen Individualismus, mit seinem anything goes, es gibt so etwas wie Wahrheit nicht et cetera, und alle dem. Denn das sind alles Figuren, die eine Zeit lang wir alle wahrscheinlich gut fanden, sonst wäre es nicht zum Trend geworden, die sich aber nun gegen uns wenden. Du nennst es alte Tugenden, das tief Menschliche, Humanistische, und das ist aber das Kollektive. Das heißt, die Frage ist, wie wir aus all dem, was wir jetzt haben, und da können uns Social Medias helfen, und das tun sie zum Teil, neue Formen der Begegnungen wieder schaffen können? Wie können wir darüber in einen Kollektivismus kommen, der nicht falsch verstandener alter Kommunismus ist, sondern der in die kollektive Verantwortung, in die kollektive Agency geht. Weil wir vorher diesen Begriff hatten.
Tristan Horx: Gemeinsam verschieden sein, das ist die wahre Fähigkeit.
Lothar Wenzl: So ist es. Die Aufgabe ist, in der Diversität, in der Unterschiedlichkeit Spannung zu kreieren, und zwar Spannendes zu kreieren für die Zukunft. Das ist das, was wir in Organisationen tun. Ich nenne es Ziehharmonikaspielen, wobei wir sie auseinanderziehen, damit viele Leute was sagen können, ihre Meinung kundtun, sich äußern können, und daraufhin ziehen wir sie wieder zusammen, weil Entscheidungen gebraucht werden. Wie man das organisiert, ist gesellschaftlich höchst komplex, überhaupt nicht einfach, aber hoch notwendig, es zu tun.
Mari Lang: Ich möchte zum Schluss noch kurz einen Begriff ein bisschen näher definieren. Lothar, du hast öfter gesagt, es braucht ein höheres Bewusstsein, es braucht mehr Bewusstsein, was meinst du damit?
Lothar Wenzl: Wir haben dort ein Modell im Hintergrund, was wir verwenden, aber es geht um die Frage der Lebenserfahrung.
Mari Lang: Da können wir nun einpacken, der Tristan und ich.
Lothar Wenzl: Das ist interessanterweise nicht eine Frage des Alters.
Tristan Horx: Denn man kann in 20 Jahren genau gar nichts erleben, das ist sehr möglich.
Lothar Wenzl: Das ist der Punkt. Weil die Frage ist, wie wir lernen, und zwar auf mehreren Ebenen. Von denen werde ich hier nur zwei, drei aufmachen, nämlich, wie gut wir mit Emotionen umgehen können, wie gut wir sie halten können und wie gut wir Emotionen bei anderen aushalten, wahrnehmen und halten können. Eine der wichtigsten Fragen dabei ist, wie gut wir kommunizieren und in Kontakt und in Verbindung gehen und wie gut wir in uns und in andere vertrauen können.
Hierbei ist natürlich die Frage, wie wir geprägt sind und wo unsere Traumata sitzen, die wir noch aufzuarbeiten haben, die uns immer wieder zurückhalten. Die ersten zwei waren nun mehr die weiblichen Tugenden, die männlich hingegen wären, wie gut können wir es hin schaffen und ins Gestalten gehen. Das sind so die fünf Ebenen, auf denen wir uns alle weiterentwickeln sollten, und die sind alle gleich wichtig zu nehmen in Organisationen. Weil bei Gestalten würde jede Führungskraft sagen, dass sie das tut, aber Emotionen wahrnehmen, halten können, zu verstehen, wie es Menschen geht und die zu fühlen, ist etwas Anderes und beides brauche ich aber, um eine gute Führungskraft zu sein.
Mari Lang: Lothar, wir haben definiert, dass wir hier einen imaginären Wertesetzkasten haben, du sagtest aber, du würdest gerne etwas Neues hinein stellen.
Lothar Wenzl: Glaubenssätze, woran glaube ich, würde ich lieber haben als Werte. Weil bei Werten kann man nichts haben, wie beispielsweise Vertrauen oder Gleichheit. Aber woran glaube ich, und dementsprechend was so ein Glaubenssatz wäre, würde mir besser gefallen.
Tristan Horx: Woran ich glaube, ist an die unglaubliche Kooperationsfähigkeit des Menschens, des Homo Sapiens, wenn man es so dramatisch sagen möchte. Wenn die Hütte richtig brennt, werden wir nicht so, wie man das aus den Büchern und aus den Erzählungen kennt, dass man den Nachbarn erschlägt und ihm sein Klopapier stiehlt, sondern dann werden wir unglaublich solidarisch und sozialfähig. Weil das ist das Einzige, was wir besser können, denn wir haben keine großen Krallen, keine sonderlich spitzen Zähne, alles andere macht uns fertig, und Kooperation ist unser evolutionärer Vorteil. Besonders in der Krise bekommen wir das auch hin. Deswegen eher die provokative End-These: Es kriselt noch nicht genug.
Mari Lang: Sehr schön, vielen Dank, Tristan Horx, für den Besuch.
Tristan Horx: Ich habe zu danken.
Lothar Wenzl: Vielen Dank, schön war es.
Mari Lang: Ich freue mich auf die Zukunft.
Tristan Horx: Kämpfen wir noch ein bisschen darum, aber es wird schon.
Mari Lang: Kämpfen heißt aktiv werden und etwas tun.
Tristan Horx: Der Österreicher kämpft sowieso am besten mit einem Spritzer in der Hand.
Mari Lang: Gehen wir auf einen Spritzer raus.
Lothar Wenzl: Zuerst einmal (unv.).
Mari Lang: Richtig. Vielen Dank für das Zuhören. Wenn diese Folge gefallen hat, lasst uns bitte eine Fünf-Sterne-Bewertung da und abonniert die Schöne und das Biest am besten gleich, um keine Folge mehr zu verpassen. Feedback und Ideen für Gäst:innen und Themen nehmen wir natürlich sehr gerne entgegen. Alle Infos dazu stehen in den Shownotes. Stell dir vor, die Zukunft wird wunderbar, und du bist schuld. In diesem Sinne bis zum nächsten Mal. Das war die Schöne…
Lothar Wenzl: Und das Biest.
Mari Lang: Ein Podcast von.
Lothar Wenzl: Mari Lang.
Mari Lang: Und Trainconsulting Geschäftsführer Lothar Wenzl.