Der Trainconsulting Buchtipp

Entscheidungen ohne Grund

Klaus Eidenschink & Ulrich Merkes
Entscheidungen ohne Grund.
Organisationen verstehen und beraten

Eine Metatheorie der Veränderung
Verlag Vandenhoeck & Ruprecht 2021

Mit 100 Seiten kommt dieses Büchlein leichtfüßig her, verdichtet aber unglaublich viel systemisches Wissen, was die Autoren mit Recht als Metatheorie bezeichnen. Es wird damit ein Modell zur Erkundung der Widersprüche und Polaritäten von Organisationen geboten, um diese als Ressourcen zu nutzen. Eine sehr zeitgemäße und empfehlenswerte Lektüre für alle in Führung und Beratung, die bereits über systemtheoretisches Grundwissen verfügen.

Wenn man eine Organisation verstehen will, kommt man mit einer konsistenten, widerspruchsfreien Theorie nicht weiter. Es ist nützlicher sich auf ihre Paradoxien einzulassen. Die Kernfrage ist nicht »Was ist richtig?«, sondern »Wie wird entschieden?«. Wenn wir verstehen, welchen Entscheidungszwängen Organisationen ausgesetzt sind, können wir ihre innere Logik besser fassen.

Organisationen mäandern stets zwischen Unvereinbarkeiten, es müssen Entscheidungen getroffen werden. Entscheidungen sind der Motor von Organisationen. Jede Unsicherheit provoziert eine Entscheidung. Jede Entscheidung treibt die Organisation voran und trägt dazu bei, dass sie sich erhält. Mit der Entscheidung enden die Zweifel nicht, aber es kann gehandelt werden. Systemisch betrachtet sind Entscheidungen kein Vorgang des Individuums, sondern zentrale Kommunikationsereignisse der Organisation. Es geht nicht um ihre objektive Richtigkeit, sondern wie sie verstanden und aufgenommen werden.

Für die Beobachtung und Bearbeitung von Entscheidungsprozessen und -mustern haben die Autoren eine organisationsunabhängige Beobachtungsstruktur entwickelt. Diese beinhaltet neun Leitunterscheidungen als Fokusse für Entscheidungen, die jeweils unauflösliche Polaritäten aufspannen (siehe Abbildung). Die Gegenpole sind nicht als binäre Gegensätze zu verstehen, beide Pole sind immer wichtig. Sie lenken die Aufmerksamkeit auf das Gute im Schlechten und gleichzeitig auf das Schlechte im Guten. Das hilft, sich nicht zu früh in die eigene Lösungsideen zu verlieben.

Schematische Darstellung durch Trainconsulting

Die neun Leitunterscheidungen sind eine Art Bedienungsanleitung für Nicht-Linearität, so ist es auch egal in welcher Reihenfolge man sie liest, weil alle neun einander voraussetzen und beeinflussen. Die Autoren machen jede Leitunterscheidung mit einem Praxisfall anschaulich.

Die Leitunterscheidungen schärfen die Beobachtungskompetenz und sind hilfreich, um bislang latente Spannungen und Widersprüche zu thematisieren. So kommt man zu den richtigen Fragen, um das System in Bewegung zu bringen. Natürlich sind sie Vereinfachungen und eine Auswahl der Autoren, sie sind dennoch nützlich die Komplexität der Organisationsdynamik einzufangen.
Die Stärke des Buches ist, dass es Theorie und Praxis verbindet und ein nützliches Analyseschema für Organisationen in dynamischen Umwelten bietet. Empfehlenswert für jene, die scheinbar vertraute Positionen neu denken wollen.

Portrait von Anita Lung

Anita Lung

Soziologin und systemische Beraterin, Begleitung von Menschen und Organisationen in allen Phasen von Veränderungen; Hauptaugenmerk auf ressourcenorientiertem Arbeiten, um fruchtbare Arbeitskontexte und vertrauensvolle Kooperationen zu gestalten.

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