Podcast: Die Schöne und das Biest. #02 Bernhard Kerres

Bernhard Kerres.
Über Organisationen im Takt

In der zweiten Folge des Podcasts »Die Schöne und das Biest. Warum schöne Organisationen die Welt verändern« sprechen Unternehmensberater und Zumuter Lothar Wenzl und die Journalistin, Autorin und bekennende Feministin Mari Lang dieses Mal mit Bernhard Kerres, gelernter Opernsänger, heute als Executive Coach tätig. Er war unter anderem Leiter des Wiener Konzerthauses und C-Level Executive. Ein Gespräch über Musik und wie Organisationen von ihr lernen können.

»Die Musik ist für mich Lebenselixier, ich könnte ohne Musik nicht leben. Sie gibt mir Richtung, einen Rahmen. Plötzlich hat alles eine Linie, einen Strom und einen Fluss. Das gibt mir eine gewisse Schönheit im Leben.«

Bernhard Kerres
Bernhard Kerres Keynote Speaker und Executive Coach im Gespräch bei die Schöne und das Biest, ein Podcast von Trainconsulting

Bernhard Kerres begann seine Karriere als Opernsänger. Er absolvierte einen Master an der London Business School und arbeitete als Strategieberater für Hightech- und Telekommunikationsunternehmen.

2006 wurde er zum künstlerischen Leiter und Geschäftsführer des Wiener Konzerthauses ernannt und verließ die Leitung um das Klassik-Start Up Hello Stage zu gründen.

Bernhard ist Executive Coach und arbeitet mit Unternehmer:innen, Führungskräften, Wissenschaftler:innen und Musiker:innen. Als Keynote – Speaker legt Bernhard den Fokus auf Innovation und Führung und greift oft auf Beispiele aus der Musikwelt zurück.

Zu seinen Auszeichnungen zählen der Orden Bernardo O`Higgins sowie das österreichische Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst.

Wir wollen nicht nur über das Besser werden reden, wir wollen tatsächlich besser werden. Senden Sie uns Feedback an dieschoeneunddasbiest@trainconsulting.eu.

Wer nicht hören will, muss lesen! Hier der Podcast zum Nachlesen:

»Die Schöne und das Biest. warum schöne Organisationen die Welt verändern.«
Ein Podcast von Mari Lang und Trainconsulting Geschäftsführer Lothar Wenzl.

Flötenspiel

Mari Lang: Unser heutiger Gast, Bernhard Kerres, hat uns Musik in Form der Flötistin Veronika Vitazkova mitgebracht. Schön.

Flötenspiel

Mari Lang: Schön?

Flötenspiel.

Mari Lang: Ja, das ist die Frage aller Fragen hier im Podcast. Ist das für uns alle gleich? Gibt es für Schönheit eindeutige Kriterien und wie lassen sich diese auf Organisationen umlegen? Schon bei so etwas wie Musik, ist das ja gar nicht so eindeutig.

Flötenspiel.

Mari Lang: Du hast jetzt die Augen geschlossen.

Lothar Wenzl: Ja.

Mari Lang: Hat etwas sehr trauriges, finde ich.

Lothar Wenzl: Findest du?

Mari Lang: Ja.

Lothar Wenzl: Nein, gar nicht. Nein, gar nicht.

Flötenspiel.

Mari Lang: Da bin ich zu Hause. Das ist eher meins. Wie geht es dir, Lothar?

Lothar Wenzl: Gut, das sind drei sehr unterschiedliche Melodien, aber alle haben etwas Berührendes gehabt für mich.

Mari Lang: Würdest du sie alle drei als schön beschreiben?

Lothar Wenzl: Die Zweite würde ich uneingeschränkt als schön beschreiben. Die Dritte hatte etwas brüchiges, starkes. Da fällt mir nicht nur schön ein. Und die Erste würde ich als geheimnisvoll schön beschreiben, in die Richtung.

Mari Lang: Und wir sind mitten im Thema. Die Schöne

Lothar Wenzl: Und das Biest.

Mari Lang: Warum schöne Organisationen die Welt verändern. Ein Podcast von

Lothar Wenzl: Mari Lang

Mari Lang: Und Trainconsulting Geschäftsführer Lothar Wenzl. Hallo und willkommen zu einer neuen Ausgabe von »Die Schöne und das Biest.« Heute machen wir uns wieder auf die Suche nach dem Schönen in der Welt, beziehungsweise, in Organisationen und haben dazu einen Gast, der viel dazu sagen kann.

Vor allem, weil er selbst viele Organisationen gesehen und erlebt hat und weil er sich mit der Beratung und dem Coaching von Organisationen beschäftigt und mit Musik ebenfalls. Darüber werden wir gleich detailliert sprechen. Herzlich willkommen Bernhard Kerres.

Bernhard Kerres: Danke, dass ich da sein darf.

Mari Lang: Danke an dieser Stelle an die Flötisten Veronika Vitazkova, die uns in diesem Gespräch mit ihren Flöten, es sind wirklich mehrere, begleiten wird und generell in Zusammenarbeit mit dir, Bernhard, das hörbar macht, was du im Coaching mit Menschen erarbeitest. Kann man das so sagen?

Bernhard Kerres: Das kann man durchaus so sagen, weil in einer rationalen Welt, oder dort, wo die Worte aufhören, beginnt die Musik. Und dann wird es wirklich interessant und spannend und emotional. 

Mari Lang: Wir schauen, wie emotional das Gespräch heute werden wird. Lothar, Bernhard war dein Wunschgast. Magst du ihn kurz vorstellen?

Lothar Wenzl: Sehr gerne. Bernhard Kerres ist deswegen für mich so ein wichtiger Gast und einer, der mir als erstes eingefallen ist für diesen Podcast, weil er die Welten, um die es wahrscheinlich die ganze Zeit geht, so gut verbinden kann. Nämlich die Musik, für mich die höchste Ausdrucksform des Menschen, aber ebenfalls in Organisationen zu Hause ist und war und eine Organisation geleitet hat, die sich mit Musik beschäftigt, das Wiener Konzerthaus.

Nebenher war er ebenfalls Opernsänger, hat aber sehr früh erkannt, hat er mir erzählt, dass das Managen, das Unterstützen von Musikern ihn mehr interessiert und hat ebenfalls ein Technologieunternehmen geleitet als CEO und ist jetzt einer der wichtigen Unterstützer von Musikern. Gleichzeitig bringt er seine Ansätze in Form von Coaching, Teamentwicklung, Management in Organisationen ein und da treffen sich unsere Felder wunderbar und deswegen ist er da.

Mari Lang: Da gibt es einiges zu besprechen heute. Beginnen wir mit dem Grundthema auf dem der Podcast aufbaut, die Schönheit in Organisationen und was das bedeuten kann. Brechen wir es herunter, was bedeutet generell »schön« für dich und wie siehst du es in Bezug auf Organisationen?

Bernhard Kerres: »Schön« ist für mich etwas, was mich tief berührt in einer Tiefe, die ich in meinem Körper spüre, die emotional ist und die eine gewisse Magie dabei hat. Schön ist nicht nur etwas, was schöne Formen hat, oder Rundungen hat, sondern wie Lothar vorher gesagt hat, durchaus manche Brüche hat.

Diese Brüche erlauben dann, diese Schönheit noch mehr zu genießen. Schönheit ist aber ebenfalls etwas, das etwas zum Wachsen bringt und wie eine schöne Erde, aus der Blumen sprießen. Und wenn wir über Organisationen reden, ist eine schöne Organisation für mich eine Organisation, die Menschen zum Wachsen, zum Aufblühen bringt.

Mari Lang: Wie kommt für dich, was die Schönheit betrifft, die Musik ins Spiel?

Bernhard Kerres: Die Musik ist für mich Lebenselixier, ich könnte ohne Musik nicht leben. Sie gibt mir Richtung, sie gibt mir einen Rahmen, wenn ich in der Früh oft Johann Sebastian Bach höre, ist es wie, wenn ich vorher völlig durchgerüttelt war und plötzlich hat alles eine Linie und einen Strom und einen Fluss. Das gibt mir eine gewisse Schönheit, eine Schönheit im Leben, eine Schönheit im Tag, eine Schönheit, die ich mit Freude zu Klientinnen und Klienten, oder in Organisationen mitnehmen darf.

Mari Lang: Ich bin der Meinung, wenn ich dir jetzt zuhöre, hättest du mir die Frage gestellt, hätte ich sie wahrscheinlich ganz anders beantwortet, dass unter, was schön ist, jeder und jede etwas anderes versteht. Und ich glaube, Lothar, da widersprichst du mir? Du sagst, das liegt nicht im Auge des Betrachters, sondern da gibt es eindeutige Definitionen, wo sich Menschen darauf einigen können, das ist schön, ebenfalls bei einem Musikstück?

Lothar Wenzl: Das finde ich spannend, dass du das fragst, weil ich glaube nicht, dass sich Menschen auf eine einheitliche Definition, oder auf etwas Gemeinsames einigen können. Im Erleben, glaube ich, ist das anders. Dort liegt es nicht nur und das erlebe ich auch nicht, im Auge des Betrachters, oder der Betrachterin, sondern da können wir Muster erkennen, was Menschen als schön empfinden. Wenn man in einem Konzert ist, zum Beispiel, das die Leute tatsächlich mitnimmt, wo Resonanz entsteht und man nachher beim Herausgehen die Menschen befragt, würden wahrscheinlich 99 Prozent sagen, das war ein schönes Konzert, oder das war schön heute Abend. Und kaum jemand würde sagen, das war nicht schön, obwohl man mit Sicherheit etwas kritisieren könnte.

Es gibt Studien, die gar nicht so einfach zu lesen sind, aber die eindeutig nachweisen, dass beispielsweise die Größe von Menschen durchaus »Schönheit« im Sinne von Attraktivität von Menschen einen Einfluss auf deren Karriereverlauf nimmt. Das kann man nicht wegwischen. Die Frage ist nur, wie gehen wir mit dem um? Weil an sich ist der Begriff hoch diffus, ambigue, nicht fassbar. Und darum geht es mir mit diesem Begriff viel mehr als eine Definition zu finden. Das ist müßig.

Aber die Frage uneindeutige Begriffe wieder einzuführen, die aber für uns alle extrem wichtig sind, wer würde schön nicht vielfach am Tag verwenden als Begriff für alles Mögliche? Das ist mir wichtig, weil in einer Welt, die so komplex geworden ist, so schwierig zu erfassen, brauchen wir Sprache, die dem gerecht wird, nämlich Uneindeutigkeit. Und dort will ich hin, dass wir uns mit dem zu beschäftigen wieder beginnen.

Mari Lang: Bernhard, du wolltest etwas dazu sagen? Du hast so ein bisschen herumgewetzt.

Bernhard Kerres: Absolut, weil das für mich die Frage aufwirft, da geht es nicht nur um Schönheit selbst, sondern es gibt etwas, was modische Schönheit ist und es gibt etwas, was vielleicht absolute Schönheit ist. Für mich, mit dem Hintergrund der Musik gibt es absolute Schönheit, oder ich glaube, es gibt sie, weil ich glaube, dass man sie nie ganz erreicht. Das ist dieser Wunsch nach Perfektion, die aber eigentlich nie da sein darf, weil wenn Musik perfekt klingt, wird sie sehr langweilig. Und das macht es für uns und in Organisationen und so weiter so spannend, weil oft denken wir, wir müssen haargenau diese Arbeitsanweisung, diese Linie, dieses Budget, oder sonst etwas erreichen.

Bernhard Kerres Keynote Speaker und Executive Coach im Gespräch bei die Schöne und das Biest, ein Podcast von Trainconsulting

Wenn ich die Musik hernehme, ist es genau in einem durchaus manchmal sehr, sehr Rahmen, diese Freiheit drin zu haben. Wenn ich das weiter noch fassen darf, ich glaube, Schönheit und absolute Schönheit entsteht immer wieder neu. Sie ist nicht etwas, was immer da ist und ich glaube, dass wir als Menschen diese Schönheit immer wieder regenerieren dürfen und erschaffen dürfen.

Mari Lang: Mir wäre ebenfalls der Gedanke gekommen, ob Schönheit nicht etwas ist, worauf man sich als Gesellschaft einigt. Weil, wenn man in unterschiedliche Gesellschaften schaut, sind die Schönheitsideale, wenn wir zum Beispiel von der Optik ausgehen, oder ebenfalls, was Organisationen betrifft, wie Menschen zusammenleben und das als schön empfinden, sehr unterschiedlich.

Bernhard Kerres: Das würde ich aber genau als modische Schönheit bezeichnen und ich glaube, das ist die Herausforderung für Organisationen zu sorgen, oder zu schauen, zu sagen, wie kommen wir diesem Schritt einer absoluten und nicht einer modischen Schönheit näher? Weil die Diskussion, die wir heute konkret hören, zum Beispiel, über Homeoffice und Office Präsenz, oder solche Themen, das mag eine modische Schönheit sein und ist sicherlich eine Diskussion, die es wert ist, zu führen. Die hat aber mit der absoluten Schönheit, wie eine Organisation gut, lebend gestaltet, sich vergrößert, wächst, in der die Menschen wachsen und aufblühen können, sehr wenig zu tun.

Mari Lang: Wenn du von absoluter Schönheit und Organisationen sprichst, klingt das für mich sehr abstrakt. Da kann ich mir nur wenig darunter vorstellen. Lothar, du aus deiner Erfahrung mit vielen Organisationen, mit denen du als Berater zu tun hattest, kannst du Beispiele bringen, oder würdest du Bernhard überhaupt zustimmen, dass es so etwas wie absolute Schönheit gibt, die man auf Organisationen übertragen kann?

Lothar Wenzl: Fast. Und ich leihe mir ein Zitat von Nikolaus Harnoncourt aus, dem ich sehr nachhänge und das ich für sehr treffend halte und werde das gleich auf Organisationen umsetzen. »Beauty comes only at the edge of failing«. Schönheit entsteht nur dort an den Rändern, dort, wo man an Grenzen gerät. Weil der Schönheitsbegriff ist wie jeder Begriff polar und hat die Rückseite, ich sage jetzt hässlich, oder was auch immer in sich.

Mari Lang: Man braucht den Kontrast, um die Schönheit überhaupt erkennen zu können.

Lothar Wenzl: So ist es, ohne Hässlichkeit, ohne eine Differenz gibt es die andere Seite nicht. Es gilt für alle Begriffe, deswegen ist es polar, absolut. Ich glaube schon, dass wir dem nahekommen können und das hat in Organisationen etwas mit Einigungsprozessen zu tun, weil die Menschen eine Sprache dafür brauchen. Alleine deswegen, dieser Begriff schön, kommt im Organisationsalltag kaum vor, genauso wenig wie Liebe und solche Themen. Und der Re-entry, dieser Begriff, das Wieder-Einführen dieser Begriffe in diesem Kontext ist für mich mittlerweile fast schon zur Berufung geworden, weil wir ihn brauchen, um sprachfähig zu bleiben zu diesen Themen.

Bernhard Kerres: Und ich würde das Zitat von Harnoncourt noch einen Schritt weiter setzen, zu sagen, die wahre Schönheit ist erst, wenn wir über die Grenze der Fehler hinaus steigen. Dort, wo wir ohne Sicherheitsnetz sind. Dort wird es erst wirklich spannend mit all dem Risiko, das dazu gehört, aber ich glaube, das sind die wirklich spannenden Organisationen, die dieses Risiko eingehen und das machen und mit all der Verantwortung natürlich. Aber da entsteht erst etwas und da entsteht erst Schönheit, kann erst Schönheit entstehen.

Mari Lang: Für viele ist die große Frage, wie kommt man dort hin? Was macht den Unterschied, dass es manche Organisationen schaffen und andere nicht, weil das Wissen ist jetzt da, zumindest jetzt, wo man diesen Podcast hört, weiß man es.

Bernhard Kerres: Ja.

Mari Lang: Später.

Lothar Wenzl: Genau, wir haben jetzt hier die Lösung.

Bernhard Kerres: Ich möchte gerne schnell wahnsinnig gerne Veronika wieder hereinholen, weil Veronika für mich ein Paradebeispiel ist für jemanden, der die ganze Zeit auf der Suche nach Schönheit Grenzen überwindet und überwunden hat. Und die den typischen Weg vieler Musikerinnen und Musiker gegangen ist, studiert hat, Querflöte studiert hat, alles wunderbar gemacht hat mit der Hoffnung auf eine Orchesterstelle, ein bisschen Kammermusik und da und dort ein bisschen solo zu spielen, immer mit diesen Wunschvorstellungen, die viele Musikerinnen und Musiker haben.

Und irgendwann hat sie mir das so schön beschrieben, zu sagen: »Weißt du, alle Musikerinnen und Musiker wollen durch dieses Nadelöhr des Orchesters durch und neben dem Nadelöhr gibt es eine ganz andere Welt, die ich entdecken kann.« Und so spielt sie heute ich weiß nicht wie viele Flöten, sechzig oder so etwas?

Veronika Vitazkova: Um die siebzig.

Bernhard Kerres: Um die siebzig in der Zwischenzeit, es werden regelmäßig mehr. Es gibt nichts, was für sie keine Flöte ist, solange es ein zylindrischer Körper ist. Und ich würde gerne die Veronika einladen, mit uns hier ganz kurz eine musikalische Grenze auszuloten.

Mari Lang: Jetzt bin ich gespannt.

Flötenmusik.

Lothar Wenzl: Was war das jetzt für eine Flöte?

Veronika Vitazkova: Das ist eigentlich keine Flöte mehr, es ist ein Duduk, es ist eine Mischung aus Klarinette, eine Ur-Ur-Klarinette aus Armenien.

Mari Lang: Stimmt das, dass du auf Eierbechern ebenfalls, wie nennt man das, bläst.

Veronika Vitazkova: Ja, auf Eierbecher, anderen Bechern, Glühweinbechern besonders und sonstige Gegenstände.

Mari Lang: Noch einmal kurz zum Anfang unseres Gespräches zurück, wo ich gesagt habe, dass du im Coaching ebenfalls mit Musik arbeitest. Inwiefern setzt du die Musik da ein und was können Unternehmen, oder Organisationen aus dieser Arbeit mit Musik lernen?

Bernhard Kerres: Noch ganz kurz zur Reflektion, was ich da gehört habe, ich weiß nicht, wie es dir, oder dir ging, für mich hat sich so ein warmes, wohliges Gefühl in meinem Bauch ausgebreitet, wie ich das gehört habe. Obwohl wir hier über Organisationen sprechen und unsere Beratersprache verwenden, kommt da plötzlich eine ganz andere Komponente hinein. Und ich bin auf der Suche nach dieser anderen Komponente, weil ich glaube, dass wir schöne Organisationen nicht nur über die Ratio lösen werden, sondern dass wir emotionale, vielleicht ebenfalls spirituelle Anteile brauchen, um hier etwas gestalten zu können.

Das heißt, es gibt verschiedenste Formate vom Musical Group Coaching, wo wir so sitzen, wie wir hier sitzen und uns über ein Thema unterhalten. Und ich irgendwann einmal so einen Einwurf mache und sage, da wäre es schön ein Stück zu hören, weil es uns auf eine ganz andere Gesprächsbasis führt. Es führt uns auf eine emotionalere Gesprächsbasis, es gibt uns Zeit, einmal durchzuatmen. Dann ist die Musik in vielerlei Hinsicht ein wunderbares Beispiel für jegliche Form von Organisationen und das verwende ich sehr gerne. Ich verwende wahnsinnig gerne ein Streichquartett, wo vier brillante Musikerinnen, Musiker zusammenkommen, um ein wirkliches High Performance Team ohne Leadership zu formen. Wo jeder sagt, das geht ja nicht und es geht sehr wohl.

Oder die Frage von Dirigentinnen und Dirigenten, die vor einem großen Orchesterapparat stehen und innerhalb von drei Tagen innerhalb mehr oder weniger von neun Stunden, die sie haben, eine großartige Performance schaffen müssen. Die arbeiten in einem zeitlichen Rahmen, in einem Korsette, das so eng ist und schaffen es beim Konzert gemeinsam eine Spitzenleistung zu bringen. Und da kann man so viel lernen als Organisation, wenn man dort hinschaut und sagt, wie macht man das? Ebenfalls, wie sich das verändert hat, was da gekommen ist, wie die Rolle ist in so einem High Performing Team, was es vom Einzelnen braucht.

Dass es Menschen wie eine Veronika braucht, die bereit ist, sich ebenfalls traut und die ebenfalls das Umfeld hat, zu sagen, ich probiere das jetzt aus, ich mache das, ich spiele auf meinem Kugelschreiber nicht mehr, pfeife drüber, sondern ich spiele die erste Melodie darüber.

Mari Lang: Was mir jetzt sofort in den Sinn gekommen ist, das klingt alles total nachvollziehbar, ich kann nur nicken und denke mir, ja, so, das ist sicher der richtige Weg, oder das ist ein Weg, der uns zu schönen Organisationen und zu einer schöneren Welt bringen kann.

Ich bin nicht so involviert in Unternehmensberatung, ich kenne Unternehmen oft nur von außen, oder sehr peripher, nehme sie aber oft wahr mit sehr starren Strukturen, sehr verkopft. Du hast das Wort Spiritualität eingebracht, ist das das Problem, dass wir Organisationen und die Arbeit darin zu verkopft denken und Musikerinnen und Musiker, wie du sie beschreibst im Streichquartett immer beides vereinen? Und, dass es deshalb ohne Leadership funktioniert?

Bernhard Kerres: Absolut, ich glaube, dass Organisationen viel, viel zu verkopft sind und dass wir in einer Welt leben, die zu verkopft ist. Wir leben in einer Welt, die von Zahlen, Daten, Fakten getrieben wird. Und wir glauben, dass Zahlen, Daten, Fakten die einzige Wahrheit dieser Welt sind. Zahlen, Daten, Fakten sind keine Schönheit.

Mari Lang: Für manche schon, für Informatiker.

Bernhard Kerres: Ja, aber Informatiker ist ein gutes Beispiel. Ich dürfte jahrelang technische Unternehmen leiten und da wird ganz klar bei den guten Informatikern, bei den guten Codern unterschieden, was schöner Code ist und was nicht schöner Code ist. Und was ich faszinierend finde, ist, wie sie mir das das erste mal erzählt haben, habe ich gesagt, so ein Blödsinn, das glaube ich nicht. Und dann haben sie gesagt: »Bernhard, schau dir das an.« Und sie haben mir Codes gegeben, der zu der gleichen Lösung geführt hat, einfach visuell und der eine war wirklich ein schöner Code. Der hatte eine Ästhetik drin, der hatte eine Form und der andere war, wie man auf Österreichisch sagt, Kraut und Rüben.

Bernhard Kerres Keynote Speaker und Executive Coach im Gespräch bei die Schöne und das Biest, ein Podcast von Trainconsulting

Lothar Wenzl: Und, weil du gesagt hast, die Musik ist ja einerseits, ich kann sie direkt als Medium einbauen, was die stärkste Form ist, weil wer würde hier nicht sofort irgendeine Form von Emotion spüren, in Resonanz gehen mit Musik. Aber wir können sie sehr häufig nur als Metapher nutzen und für mich ist sie eine Metapher für Resonanz. Schwingen wir miteinander? Da wären wir beim Dialog.

Jemand sagt etwas in einem Managementmeeting und beziehen sich die Menschen aufeinander im Sinne von, gehen sie in Resonanz, gehen sie auf das ein, was jemand sagt, oder bleiben sie nebeneinander stehen und versuchen ihre Argumente nebeneinander auf den Tisch, meistens ist ein Tisch dazwischen, zu stellen, um sie dann durchzusetzen? Und nur diese Fähigkeit wieder zu bekommen, in Resonanz zu gehen, beispielsweise, das Schöne an einem Argument eines anderen herauszukitzeln und zu sagen: »Das ist ein schönes Argument. Ich bin nicht ganz überzeugt, ob es uns weiterhilft, aber ich kann dem einmal folgen.« Dann entsteht in der Tat ein schöner Dialog, aber diese Resonanz, die Musik für uns macht, das ist das, was ich mit schön meine in Organisationen. Wenn Resonanz entsteht, ein gemeinsames Schwingen.

Bernhard Kerres: Entschuldige, wenn ich dir ins Wort falle, aber ich finde diesen Resonanzbegriff so schön, weil er für mich wirklich so viel drin hat und ich glaube, Schönheit entsteht in Resonanz. Und in vielen Unternehmen habe ich das Gefühl, dass die glauben, zu sagen, ich brauche nur einen tollen Solisten einkaufen, der, wenn wir jetzt bei den Geigerinnen und Geigern zu bleiben, oder die eine Stradivari spielt, eines der teuersten und großartigsten Instrumente, dann wird alles gut. Nur, selbst, wenn ich eine ganz tolle Geigerin vor mir habe, die eine Stradivari spielt und sie in einen toten Raum, der akustisch tot ist, setze, da kommt nichts rüber. Das ist ganz, ganz trocken, das ist zum Verhungern.

Lothar Wenzl: Ich gehe jetzt genau da hin, weil die Aufgabe von Führung für mich und Führung wird ja weit überbewertet, wir glauben, dass wir Menschen führen können. Das ist der absurdeste Gedanke überhaupt, weil Führung heißt, so einen Rahmen zu gestalten, wo Resonanz möglich wird, jetzt in der Musik ist es genauso wie in der Organisation. Welchen Rahmen, Gesprächsrahmen, Meetingrahmen, welche Entscheidungsstrukturen baue ich auf in der Organisation, die so einen sicheren Halt geben, dass in dem Rahmen alles möglich wird?

Das wäre für mich die Aufgabe von Führung und wahrscheinlich die ausschließliche Aufgabe am System, man in Rahmen zu arbeiten, innerhalb dessen dann wieder etwas möglich wird. Dass wir immer wieder neu gestalten müssen, weil mit der Metapher der Musik, da kommt ein anderer Instrumentalist, der anders intoniert, also muss ich etwas anderes tun. Kommt jemand anderer ins Unternehmen mit anderen Stärken, mit anderen Spezialgebieten, dann werde ich am Rahmen ein Stück bauen, aber doch nicht an den Menschen herumdoktern und ziehen und so weiter. Das ist für mich die Kunst der Führung, wenn es überhaupt eine Kunst ist.

Mari Lang: Ich habe heute sehr viel herausgehört und nehme sehr viel mit, nämlich, dass es vor allem um Resonanz geht, weg vom Perfektionismus, weil der mit Schönheit gar nicht so viel zu tun hat, oder mit der reinen Ur-Schönheit. Und mir ist aufgefallen, als vorhin das Stück gespielt worden ist, bin ich nachher gleich zur nächsten Frage übergegangen. Das heißt, ich habe die Resonanz nicht zugelassen. Und darum würde ich noch einmal hier zum Abschluss um ein Stück bitten und werde versuchen, nicht nur im Gespräch in Resonanz zu sein, sondern ebenfalls mit der Musik.

Flötenspiel.

Bernhard Kerres: Und wie war die Resonanz?

Mari Lang: Das sind jetzt zwei Flöten?

Veronika Vitazkova: Jawohl, ja.

Mari Lang: Und ich hatte echt das Gefühl, es wären hier mehrere Menschen im Raum. Ich habe plötzlich so richtig dieses warme Gefühl in der Bauchgegend, das du vorhin beschrieben hast, gespürt. Es hat mich irgendwie eingehüllt. Danke schön, Veronika für diese musikalische Untermalung und für diese Resonanzmöglichkeit.

Veronika Vitazkova: Sehr gerne, danke.

Mari Lang: Vielen Dank. Wir wollen hier im Podcast möglichst viele Inputs sammeln, wie Organisationen auf der einen Seite schöner werden können, aber natürlich hat das alles mit Individuen zu tun und wie unser aller Leben schöner werden kann. Deshalb möchte ich zum Schluss ganz gerne nach Werten fragen, wobei das immer so ein Begriff ist, wo manche sagen, ja, Werte, was kann man sich darunter vorstellen. Dann rede ich halt über Liebe, aber was ist das für ein Wert? Nichtsdestotrotz schauen wir einmal, was passiert. Was sind denn für dich die drei Werte, wo du sagst, nach denen richte ich mein Leben aus, weil die machen mein Leben schöner?

Bernhard Kerres: Spannende Frage, das wir so viel über Werte in Organisationen und so weiter sprechen und ich mir selber lange nicht überlegt habe. Für mich ist ein ganz wesentlicher Wert Respekt, Respekt wirklich leben, das heißt, auf andere zugehen, wenn ich einmal nicht respektvoll war, was durchaus vorkommt. Und das aber ebenfalls einzufordern von anderen ist mir ganz, ganz wichtig.

Mari Lang: Magst du noch dazu irgendwelche Schlussworte finden?

Lothar Wenzl: Mich berührt das sehr, weil wenn ich gefragt werde, würde ich sagen, eines ist Urvertrauen in das Leben, in die Lebensprozesse und das impliziert, andere so sein zu lassen, wie sie sind. Nicht, dass mir das immer leicht fällt, gar nicht, weil ich gerade selber an meine Grenzen ununterbrochen stoße, aber dieser Respekt vor der Autonomie des Lebens wäre, was mich leitet und was mich leitet ist Urvertrauen in Lebensprozesse. 

Mari Lang: Ich werde diese Frage nach dem Wert übrigens jedes Mal stellen und ich bin der Meinung, dass sich Werte verändern können und ich bin sehr gespannt, ob du dann immer Urvertrauen sagen wirst, oder ob sich das im Laufe dieser Podcast Gespräche ändern wird. Weil wir hier wahnsinnig viele Inputs bekommen von unseren Gästen und Gästinnen und das sehr zum Nachdenken anregt und ich finde es oft nicht so einfach, solche Fragen zu beantworten. Vielen Dank dir, Bernhard.

Bernhard Kerres: Danke dir ganz herzlich.

Mari Lang: Dankeschön Veronika für die Musik.

Lothar Wenzl: Und dank dir, liebe Mari.

Mari Lang: Das war die Schöne

Lothar Wenzl: und das Biest.

Mari Lang: Ein Podcast von

Lothar Wenzl: Mari Lang

Mari Lang: und Trainconsulting Geschäftsführer Lothar Wenzl.

Portrait von Lothar Wenzl

Lothar Wenzl

Systemischer Unternehmensberater für tiefgreifende Transformationsprozesse, die schöne und erfolgreiche Organisationen gestalten helfen.

l.wenzl@trainconsulting.eu
+43 664 150 23 70