Dirk Baecker
Intelligenz, künstlich und komplex
Merve Verlag
Schon nach den ersten einleitenden Seiten wird klar, das Buch hat zwar nur knappe 130 Seiten, aber der Inhalt würde vermutlich auch das Zehnfache füllen ohne langatmig zu werden. Dirk Baecker gelingt es, das komplexe Phänomen Intelligenz aus unterschiedlichen Perspektiven zu beleuchten und damit einen Erkenntnisraum zu öffnen, der gleichzeitig irritiert und inspiriert. Jedes Wort sitzt. Jeder Satz ist unverzichtbar und will mehrmals gelesen werden.
![Buchtipp Trainconsulting Intelligenz, künstlich und komplex von Dirk Baecker](https://www.trainconsulting.eu/wp-content/uploads/2024/07/7966954300001Z.jpg)
Bei der Auseinandersetzung mit Künstlicher Intelligenz ist zunächst wichtig, den Begriff der Intelligenz neuerlich zu überprüfen. Was unterscheidet menschliche und künstliche Intelligenz? Worin liegt die Differenz? Und wie lässt sich Intelligenz eigentlich definieren? Je mehr man über die Funktionsweise künstlicher Intelligenz – gemeint sind hier eigentlich Verfahren maschinellen Lernens – versteht, desto schärfer wird auch der Blick für die eigene menschliche Intelligenz.
In Dirk Baeckers Aufsätzen wird nicht nur bis eins gezählt, sondern mindestens bis fünf – das ist zwar komplex aber ohne Zweifel bereichernd. Biologie, Psychologie, Philosophie, Neurowissenschaften, Technik und nicht zuletzt die Soziologie haben alle ihre eigenen Erklärungen für das Phänomen Intelligenz. Wenn diese etwas gemeinsam haben, dann vermutlich ihre Unterschiedlichkeit und ihre eigene Komplexität. Die Intelligenz von Organismus, Gehirn, Gesellschaft, Algorithmus und Bewusstsein können zwar unabhängig voneinander betrachtet werden, aber nicht ohneeinander existieren.
»Kein Bewusstsein ohne ein Gehirn, keine Gesellschaft ohne ein begleitendes Bewusstsein, kein Organismus ohne Emotionen […] Als Produkt einer in jeder Hinsicht bewundernswerten Koevolution setzen sich diese Träger einer je eigenen Intelligenz wechselseitig voraus.« Und vielleicht ist es ja genau das, was (künstliche) Intelligenz ist und tut – fremde Komplexität durch die jeweils eigene zu nutzen.
Das Buch trägt jedenfalls dazu bei, über die Grenzen der jeweiligen wissenschaftlichen Disziplinen hinauszudenken und das Phänomen Intelligenz insgesamt zu betrachten. Das wiederum ermöglicht es, die aktuellen technischen Entwicklungen klarer einzuordnen und einen nüchternen Blick darauf zu entwickeln. Letztlich geht es doch darum, komplexe maschinelle Lernverfahren intelligent zu nutzen. (Damit meine ich auch unsere moralische Intelligenz)
Wer bereit ist, weiter als bis eins zu zählen, wird mit diesem Buch jedenfalls viel Freude haben. Künstliche Intelligenz hat für mich zwar ihren mystischen Zauber verloren aber stattdessen – und das ist aus meiner Sicht ohnehin viel wichtiger – hat sich mein Blick für die Ästhetik des Lebens weiter geöffnet.
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